Post-Covid: Eine Sportmedizinerin über Langzeitfolgen von Covid-19

Post-Covid: Eine Sportmedizinerin über Langzeitfolgen von Covid-19

Die Corona Pandemie hat uns und unser Leben stark beeinflusst. Viele die sich mit dem Virus infiziert haben, sind mittlerweile genesen, und nicht jeder Verlauf war schwer. Dennoch kann die Erkrankung auch nach Wochen und Monaten noch Auswirkungen auf den Gesundheitszustand haben. Unter dem Begriff „Post-Covid“ werden all jene Beschwerden zusammengefasst, die Menschen betreffen, die eine Covid-19-Erkrankung überstanden haben. Welche sind das? Muss man sich als Betroffener Sorgen machen?

Diese und weitere Fragen beantwortet Dr. Karin Nentwich. Sie ist Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin an der Klinik für Kardiologie II am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt.

Als Expertin für unter anderem Herzrhythmusstörungen und sportmedizinische Diagnostik hat sie derzeit auch mit Patienten zutun, deren Körper mit dem Coronavirus gekämpft hat, und die manchmal auch Wochen danach noch Symptome verspüren.

Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog spricht die Expertin über den wissenschaftlichen Stand der Dinge und die oft schwierige Suche nach einer eindeutigen Diagnose. Und sie gibt Tipps, wie man sich als Betroffener verhalten sollte.

Frau Dr. Nentwich, gibt es denn schon gesicherte Erkenntnisse hinsichtlich Langzeitschäden, die Covid-19 verursachen kann?

Es ist tatsächlich noch sehr viel ungeklärt. Man weiß allerdings, dass es Langzeit-Lungenschäden geben kann. Das können wir anhand entsprechender Untersuchungen auch nachweisen – und betroffene Patienten entsprechend behandeln. Daneben gibt es noch andere Spätfolgen, wie zum Beispiel das sogenannte Fatigue-Syndrom, das sich allerdings sehr schwer fassen lässt.

Was kennzeichnet dieses Fatigue-Syndrom?

Die Betroffenen leiden häufig an chronischer Müdigkeit, einer Schlappheit, und einer fehlenden Belastbarkeit, sodass sie teilweise nicht einmal mehr Treppen steigen können. Auch Appetitlosigkeit und ein daraus resultierender Gewichtsverlust lassen sich manchmal feststellen.

Helfen Ihnen diese Symptome bei der Diagnosestellung?

Kaum. In solchen Fällen ist es schwierig bis unmöglich, das Krankheitsbild anhand bildgebender Untersuchungen wie Röntgen oder EKG zu objektivieren. Hier ist es für uns Ärzte sehr problematisch, Symptome einer bestimmten Krankheit einfach mal eben zuzuordnen. Auch weil es noch eine Reihe anderer Krankheitsbilder neben Covid-19 gibt, mit denen derartige Erschöpfungszustände einhergehen. Man denke nur an psychische Erkrankungen, oder solche, die mit dem Herzen zusammenhängen. Auch der internistische Bereich beschäftigt sich mit derartigen Symptomen. Kurz gesagt: die Ursachenforschung ist hier sehr schwierig. Interessant ist eine Theorie, die davon ausgeht, dass das Virus auch nach der Covid-19-Erkrankung im Körper verbleibt, allerdings nicht mehr per Abstrich nachweisbar ist. Die betroffene Person scheint also wieder gesund zu sein, auch die Blutwerte sind in Ordnung. Leider gibt es in diesem Bereich aber derzeit noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern nur Berichte über Einzelfälle.

Wer wendet sich denn im Moment hinsichtlich Covid-19 an Sie als Sportmedizinerin?

Wir bekommen natürlich hauptsächlich Anfragen über die sportmedizinische Ambulanz. Sie stammen oft von Hobbysportlern, auch Marathonläufern, die an Covid-19 erkrankt waren und sich jetzt untersuchen lassen möchten, um herauszufinden, ob sie sich wieder belasten dürfen. Zudem kommen Menschen mit kardiologischen Fragestellungen, also solchen, die das Herz betreffen. Hier haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Untersuchungen nichts Augenscheinliches zutage fördern.

Wann sollte man denn als Patient zu Ihnen kommen, wenn man meint, Post-Covid-Symtome an sich selbst festzustellen?

Ich denke, dass es niemanden beängstigen sollte, wenn er um die ersten Wochen nach der Covid-19-Erkrankung noch gewisse Symptome hat. Sollten die Beschwerden allerdings über viele Wochen oder gar Monate anhalten, ist es sicher sinnvoll, die Thematik medizinisch abklären zu lassen.

In der Regel gehen wir die Sache dann multidisziplinär an. Das heißt, dass wir mehrere medizinische Fachbereiche um ihre jeweilige Einschätzung bitten. Ziel ist, eine ganzheitliche Einschätzung zu bekommen.

Wer ist an einer solchen Untersuchung beteiligt?

Da sind zum Beispiel Somatiker, Herzspezialisten, Lungenspezialisten, Internisten sowie Psychosomatiker, die sich unter anderem mit dem Krankheitsbild der Depression befassen. Es gilt also, sogenannte Differentialdiagnosen „abzuklopfen“, um andere Krankheitsbilder, die nichts mit Covid-19 zutun haben, bestenfalls auszuschließen.

Kann man denn anhand von Zahlen festhalten, wie viele Menschen tatsächlich nach ihrer Corona-Erkrankung noch an Spätfolgen leiden?

Ich als Sportmedizinerin kann Ihnen eine Zahl nennen, die sich auf meine Erfahrung mit Sportlern stützt: Hier sind es um die 20 Prozent, die nach drei Monaten nach überstandener Covid-19-Erkrankung noch Beschwerden haben. Bei der breiten Bevölkerung könnte die Zahl höher sein, einfach weil Sportler in der Regel gesünder leben und möglicherweise schneller mit einer derartigen Erkrankung „fertig werden“.

Glauben Sie, dass die Sportler zu Ihnen kommen, weil sie Angst vor Langzeitschäden haben? Oder wollen sie sich einfach kurz „durchchecken“ lassen?

Ich denke, dass die Sportler einfach eine Art „Freifahrtschein“ haben möchten, um wieder intensiv trainieren zu können.

Gibt es Personen, die besondere Gefahr laufen, Langzeitschäden zu erleiden?

Was wir mittlerweile wissen, ist, dass Menschen, die einen ungesunden Lebensstil pflegen, also zum Beispiel übergewichtig sind, eher gefährdet sind, Langzeitschäden zu erleiden.

Gleiches gilt für Diabetiker oder Menschen mit hohem Blutdruck. Da Sportler in der Regel gesünder leben, treten Post-Covid-Symtome bei ihnen wohl deshalb seltener auf.

Wenig überraschend raten Sie also zu möglichst viel Bewegung im Alltag…

Ich würde allen Menschen raten, sich über ihren Lebensstil Gedanken zu machen. Wichtig ist, einen Blick aufs eigene Gewicht zu haben und sich sportlich zu betätigen. Und damit meine ich nicht Marathonlaufen, sondern drei Mal pro Woche intensives Walken bzw. Spazierengehen. Das Auto auch einmal stehenlassen und stattdessen mit dem Fahrrad fahren! Mit solchen recht einfach umsetzbaren Aktionen lässt sich die Gefahr, an Langzeitfolgen zu leiden, spürbar verringern. Für alle, die vor einer Covid-19-Erkrankung intensiv körperlich gearbeitet haben, ist es sinnvoll, sich kurz durchchecken zu lassen. Mit Belastungs- und Herz-Ultraschall-Test, und per EKG. Und wenn alles passt, kann und sollte man auch wieder voll loslegen.

 

Ihre Expertin für Sportmedizin, Kardiologie und Innere Medizin:

Dr. med. Karin Nentwich
Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin, spezielle Rhytmologie (DGK/EHRA)
am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt, Klinik für Kardiologie II