Kinderheilkunde: Ein Händchen für die kleinen Patienten

Kinderheilkunde: Ein Händchen für die kleinen Patienten

Müssen Kinder oder Jugendliche medizinisch behandelt oder sogar operiert werden, ist die Belastung für die ganze Familie groß. Krankheitsbilder haben früher jedoch noch einen ganz anderen Verlauf angenommen. Professor Dr. Lothar Schweigerer erinnert sich an das Jahr 1974 zurück, als sein bester Jugendfreund an einer Krebserkrankung gestorben ist. „Ihn hätte man heute wohl wieder gesund machen können“, sagt er, „damals war die Krankheit aber leider nicht heilbar.“

Nach Stationen in den USA und als Leiter mehrerer Kinderkliniken in Deutschland ist er jetzt Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Frankfurt (Oder).

Mit seinem Team kümmert er sich um den Körper und die Seele von Kindern. Etwa 3.000 Patientinnen und Patienten werden hier pro Jahr behandelt. „Wir können alle akuten und chronischen Krankheiten von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen behandeln“, sagt Prof. Schweigerer.

Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog spricht er über Chancen und Möglichkeiten seiner Disziplin und darüber, was Kinder und Eltern von seiner Klinik erwarten können.

Die Kinderheilkunde gilt als eine medizinische Disziplin, die sich sehr schnell entwickelt. Woran liegt das?

In der Kinderkrebsforschung – aus der ich auch selbst komme – hat man die molekularen Grundlagen für die Entstehung von Tumoren sehr frühzeitig intensiv untersucht. Auf Grundlage dieser Forschung konnte man gezielte Therapieansätze entwickeln, die wesentlich fortschrittlicher sind als im Bereich der Erwachsenen-Onkologie. Anknüpfend an die Entwicklung im Bereich Kinderkrebs haben sich auch andere Unterdisziplinen der Kinderheilkunde rasch weiterentwickelt.

Wie kann man sich diese Forschung vorstellen?

Viele Krankheiten im Kindesalter sind das Ergebnis angeborener Genmutationen, darunter Kinderkrebskrankheiten und Nerven- und Muskelkrankheiten. Diese Mutationen lassen sich seit kurzer Zeit nachweisen, indem man das gesamte Genom eines betroffenen Kindes überprüft. Oft kann man aus dieser Erkenntnis therapeutische Möglichkeiten ableiten und so früher unheilbare Krankheiten mildern oder sogar heilen.

Was bedeutet das für Ihre kleinen Patienten?

Früher sind Kinder oftmals gestorben, weil man ihre Krankheiten nicht adäquat behandeln konnte. Zum Beispiel Frühgeborene mit neurologischen Schäden oder solche mit der tückischen Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose. Das hat sich verändert. Auch Krebserkrankungen lassen sich heute gut behandeln.

Was sind eher „neuere“ Krankheiten, die Ihnen in der Klinik begegnen?

Da wäre zum Beispiel die Fettsucht. Sie nimmt extrem zu, wird allerdings hauptsächlich ambulant behandelt. Auch die Anzahl an psychosomatische Krankheiten steigen leider extrem. In diesem Bereich werden wir uns als Klinik künftig noch stärker aufstellen.

Ihnen geht es um einen „ganzheitlichen Therapieansatz“, was verstehen Sie darunter?

Das bedeutet für mich nicht nur, das betroffene Kind in den Behandlungs- und Betreuungsprozess unserer Klinik einzubeziehen, sondern auch die Eltern, Geschwister und den Rest der Familie. Wenn ein Kind zum Beispiel an der schweren Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose leidet, wissen die meisten Eltern, dass ihr Kind vermutlich vor ihnen selbst sterben wird. Das ist ein Riesenproblem für solch eine Familie, mit dem auch eine enorme psychische Belastung einhergeht, die das Zusammenleben auf eine harte Probe stellen kann. Oftmals lassen sich die Eltern dann aus psychischen und/oder finanziellen Gründen sogar scheiden. An dieser Stelle muss man als Klinik ansetzen, finde ich.

Es geht also um psychologische Betreuung…

Etablieren möchten wir eine Psychosomatik. Sie soll auch für Kinder gedacht sein, die zum Beispiel an chronischen Bauch- oder Kopfschmerzen leiden und verhaltensauffällig sind. Oftmals stellt sich heraus, dass diese Kinder letztlich an seelischen Krankheiten leiden, etwa weil sie von ihren Eltern nicht die notwendige Zuwendung bekommen.

Was bedeutet das für Sie in der Klinik?

Solche Kinder legen sich oftmals unterbewusst ein Symptom zu, mit dem sie sich Aufmerksamkeit quasi „wieder zurückholen“ wollen. Solche Patienten muss man stationär behandeln. Das ist ein wesentlicher Teil der Kinderklinik der Zukunft, wie ich sie mir vorstelle. Bedarf für gut aufgestellte Häuser gibt es dabei nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land.

Wie kann man sich Ihre Klinik aktuell vorstellen?

Wesentliche Teile sind unsere neonatologische Station für die Frühgeborenen sowie die Allgemeinpädiatrische Station. Angehängt ist das Sozialpädiatrische Zentrum, eine große, ambulante Einrichtung mit interdisziplinärem Ansatz. Im Fokus stehen Kinder mit körperlichen und/oder geistigen Schäden, darunter insbesondere auch ehemalige Frühgeborene. Diese Kinder und ihre Familien werden dort langfristig betreut und begleitet. Auch Kinder mit psychischen Problemen aufgrund unzureichender Unterstützung durch das Elternhaus sind hier gut aufgehoben. Für die Behandlung und Betreuung stehen Kinderärzte, Psychologen, Krankengymnasten, Logopädinnen, Heilpädagogen und Sozialarbeiter bereit. Besonderen Wert legen wir auch auf unser Schlaflabor, wo wir Kinder behandeln, die an Schlaf- und/oder Atemstörungen leiden.

Sie haben mit Ihrer Vision einer familienfreundlichen Kinderklinik mit Fokus auf die ganze Familie in Ihrer Karriere schon viel verwirklicht. Welche Pläne haben Sie noch für die Zukunft und konkret für Ihre Klinik?

Mein Wunsch wäre die Einrichtung einer sogenannten Elternoase, eines Aufenthaltsbereichs für Eltern und Kinder, und auch eines „Geschwisterkindergarten“. Drumherum gruppieren wir dann die für die Kinder notwendigen ambulanten und stationären medizinischen Einrichtungen. Grundsätzlich bietet sich unser Haus hierfür sehr gut an, weil wir eine besondere Lage im Grünen haben und eine tolle Aussicht auf den Wald.

 

Lothar Schweigerer; Klinikum Frankfurt (Oder)Ihr Experte für Kinderheilkunde:
Professor Dr. Lothar Schweigerer
Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Frankfurt (Oder)

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