Warum beim Herzinfarkt jede Minute zählt

Warum beim Herzinfarkt jede Minute zählt

Fragen an den Experten aus der Herz- und Gefäß-Klinik

Die koronare Herzerkrankung und der Herzinfarkt zählt besonders bei älteren Menschen zu den häufigsten Todesursachen. Rechtzeitig entdeckt, lässt er sich in deutschen Krankenhäusern gut behandeln. Prof. Dr. Sebastian Kerber ist Chefarzt der Klinik für Kardiologie I – Interventionelle Kardiologie und kardiale Bildgebung am Campus Bad Neustadt. Im Interview spricht er über die Bedeutung schnellen Handelns, genetische Disposition und Wege, wie man sich aktiv gegen einen Herzinfarkt schützen kann.

Herr Professor Kerber, was genau passiert bei einem Herzinfarkt?
Beim Herzinfarkt verschließt sich plötzlich ein Gefäß, das den Herzmuskel mit Blut versorgt. Die Blutversorgung funktioniert also in der Folge nicht mehr. Ohne Blut erhält der Herzmuskel auch keinen Sauerstoff. Dadurch beginnt er rasch irreversibel abzusterben.

Was können Sie als Herzspezialist tun?
Wir stoppen diesen Prozess und öffnen so schnell wie möglich das Gefäß wieder. Je früher diese Therapie einsetzt, desto weniger Herzmuskelgewebe stirbt ab. Dadurch erhöht sich die Lebenserwartung des Patienten.

Nehmen wir an, man spürt beim Schneeräumen plötzlich einen Druck auf der Brust. Was sollte man tun?
Grundsätzlich gilt: Sobald auch nur der geringste Verdacht besteht, dass es sich um einen Herzinfarkt handeln könnte, sollte schnellstmöglich der Weg in eine nahe gelegene Klinik gesucht werden. Wir haben eine Notaufnahme, in die auch Menschen gehen, die kein lebensbedrohliches Krankheitsbild haben, aber unsicher sind, was mit ihnen los ist.

Was passiert in der Klinik?
Die dort tätigen Arzt haben die Aufgabe, die genauen Umstände zu hinterfragen. Sie müssen schnell, aber mit Bedacht entscheiden, welche Behandlung im konkreten Fall sinnvoll ist. Je erfahrener der erste Arzt ist, mit dem der Patient Kontakt hat, desto weniger Diagnostik ist in der Regel notwendig.

Und desto weniger Zeit vergeht bis zur eigentlichen Behandlung des Herzinfarkts…
Genau richtig. Wichtig ist, dass der Zeitraum vom Ankommen in der Klinik bis zur eigentlichen Behandlung möglichst kurz ist, also im Idealfall zehn bis dreißig Minuten. Bereits kurz nach der Blutabnahme und dem Erstkontakt beginnen wir mit der Kathetherbehandlung. Nach zirka 15 Minuten ist dann das betroffene Gefäß wieder geöffnet und der Herzinfarkt gestoppt.

Es zählt also jede Minute…
Ja. Bei allen Notfällen ist Zeit „Prognose“, wie wir Ärzte sagen. Je schneller ein Patient richtig behandelt wird, desto wahrscheinlicher ist sein Überleben. Das gilt für alle schweren Krankheitsbilder.

Welche Personen sind denn besonders gefährdet, einen Herzinfarkt zu erleiden?
All jene Personen, die Risikofaktoren haben, wie wir Ärzte sagen. Zu diesen gehören hohe Fettwerte, Übergewicht und Blutzuckererkrankungen. Gefährdet sind auch Menschen, die körperlich wenig aktiv, Stress ausgesetzt und im Alter zwischen 45 und 55 Jahren sind.

Kündigt sich solch ein Herzinfarkt vorher an?
Das muss nicht sein. Ziemlich genau 65 Prozent der betroffenen Patienten haben vor ihrem ersten Herzinfarkt noch keinerlei Beschwerden gehabt. In diesen Fällen gibt es also keine Warnsymptome. Das ist das Heimtückische an dieser Krankheit.

Hat man erst einmal einen Herzinfarkt erlitten, ist dann das Risiko, einen weiteren zu erleiden, erhöht?
Das hängt maßgeblich davon ab, ob man es schafft, die Risikofaktoren einzustellen.

Das heißt, man kann als Patient aktiv dazu beitragen, keinen weiteren Herzinfarkt zu erleiden?
Wenn man es schafft, drei Mal pro Woche mindestens 60 Minuten Sport zu machen und diesen Rhythmus durchzuhalten, dann verringert sich das Risiko erheblich. Dabei kommt es nicht darauf an, sich körperlich zu verausgaben. Auch Sportarten wie Walking oder Kegeln können zu einem gesunden Lebensstil beitragen. Mit solchen Maßnahmen verlängert man das eigene Leben und reduziert das Risiko, dass bestimmte Krankheiten überhaupt erst auftreten.

Welche Rolle spielt genetische Disposition hinsichtlich des Auftretens eines Herzinfarkts?
Wenn ein leiblicher Angehöriger, also Geschwister oder Eltern, vor dem 55. Lebensjahr ein kardiovaskuläres Ereignis, zum Beispiel einen Herzinfarkt oder Schlaganfall, erlitten haben, ist dies für die betroffene Person ein Risikofaktor. Dieser kann logischerweise nicht beeinflusst werden, da er genetischer Natur ist.

Wie ist denn die Herzinfarktversorgung hierzulande aufgestellt?
In Deutschland ist die Behandlung des Herzinfarkts durch die Kathetertechnik auf einem sehr hohen Niveau. Das ist sehr positiv, denn schlecht oder nicht behandelte Herzinfarkte führen dazu, dass Menschen weniger leistungsfähig werden oder im schlimmsten Fall sogar eher sterben.

Prof. Dr. Kerber, Chefarzt Klinik für Kardiologie

 

Ihr Herzinfarktexperte:
Prof. Dr. med. Sebastian Kerber,
Chefarzt der Klinik für Kardiologie I – Interventionelle Kardiologie und kardiale Bildgebung am Campus Bad Neustadt