Was Allergiker während der Corona-Pandemie wissen müssen

Was Allergiker während der Corona-Pandemie wissen müssen

Wie sich eine Allergie sinnvoll bekämpfen lässt, hat Dr. Andreas Happ, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten vom Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) des Klinikum Frankfurt (Oder), hier im RHÖN-Gesundheitsblog schon vor drei Jahren erläutert. Damals hat von Corona noch keiner etwas geahnt.

Heute machen sich viele Allergiker Sorgen, dass sie ihre Symptome mit denen von Covid-19 verwechseln könnten. Im Gespräch beantwortet Dr. Happ deshalb hier die drängendsten Fragen zum Thema und spricht außerdem darüber, welche relativ neue Form der Allergiebekämpfung es mittlerweile gibt – und welche Vor- und Nachteil sie hat.

Herr Dr. Happ, eine wichtige Frage gleich mal zu Beginn: Besteht für Patienten mit Allergien während der Pandemie aktuell ein erhöhtes Infektionsrisiko?

Für Patienten mit Allergien besteht kein erhöhtes Infektionsrisiko. Das Immunsystem von Allergikern ist durchaus fit. Die Allergie ist ja „nur“ eine fehlgeleitete Immunantwort.

Was bedeutet das konkret?

Aufgrund der guten Hygienebedingungen in unserer modernen Gesellschaft nehmen wir einen Teil unseres Immunsystems – den, der für die Abwehr von Parasiten verantwortlich ist – nun weniger in Anspruch. Leider sucht sich dieser Teil des Immunsystems als „Gegner“ deswegen „harmlose“ Stoffe, wie zum Beispiel Pollen, Federn, Insektengifte oder Tierhaare, die dann Symptome wie Heuschnupfen, Asthma, allergische Bindehautentzündung oder auch Nesselsucht hervorrufen können.

Viele Leute reagieren in Pandemie-Zeiten trotzdem besorgt, wenn es ihnen nicht gut geht. Kann man denn eine Ansteckung mit dem Coronavirus von einer Allergie prinzipiell klar unterscheiden?

100% sicher ist nichts. Aber: Die oben genannten Allergien verursachen extrem selten Fieber, ebenso wenig wahrscheinlich sind Kopf- und Gliederschmerzen. Einen Fließschnupfen mit  kratzendem Rachen oder juckenden Augen kann man hingegen eher einer Allergie zuordnen. Bei Covid-19 treten grippale Symptome häufiger auf. Problematisch für die Unterscheidung wird es bei Menschen, die an allergischem Asthma leiden. Hier ist nicht klar, ob sie Symptome wie Halskratzen mit gehäuftem Räuspern und Husten durch den Pollenflug bekommen haben oder durch eine beginnende Virusinfektion.

Was raten Sie solchen Patienten?

Sie sollten sich baldmöglichst beim Hausarzt oder Spezialisten vorstellen. In unklaren Fällen können die bekannten Rachenabstriche dann gute Dienste leisten um herauszufinden, ob es sich bei diesen Symptomen um eine Infektion mit Covid-19 handelt, oder eben nicht.

Schwächt das Kortison, das viele Allergiker einnehmen, das Immunsystem? 

Auf jeden Fall. Besonders dann, wenn man Kortison-Tabletten nimmt. Anders ist es, wenn man ein lokales Spray nimmt.

Um Ihre Allergie loszuwerden, raten Experten vielen Allergikern nach wie vor zur Hyposensibilisierung. Kann man dieses Verfahren trotz Corona jetzt uneingeschränkt fortführen?

Ja, ohne Probleme. Ziel dieser Therapie ist es ja, das Immunsystem quasi wieder auf „normal“ umzustellen, das heißt, die Überreaktion auf harmlose Allergene, wie zum Beispiel Pollen, zu verringern oder idealerweise zu verhindern. Unüblich ist es allerdings, jetzt in der Pollenflugsaison anzufangen. Normalerweise beginnt man mit der Therapie nach der Pollenflugsaison, also im Herbst. Anders sieht es bei Insektengiftallergikern aus. Sie müssen sofort behandelt werden, weil sie durch weitere Stiche lebensgefährlich erkranken können. Wenn sie nicht behandelt werden, kann es durch einen allergischen Schock zu schlimmsten Schäden kommen.

Was hat sich grundsätzlich im Bereich der Allergiebekämpfung getan, seitdem wir das letzte Mal gesprochen haben?

Die orale Hyposensibilisierung ist mittlerweile eine echte Alternative zur bekannten subkutanen Variante geworden. Es ist deshalb für Patienten nicht mehr nötig zum Arzt zu kommen, weil  statt einer Spritze hier Schmelztabletten oder Tropfen verabreicht werden. Die kann der Patient natürlich bequem daheim einnehmen. Das „Spritzen“ entfällt. Das Problem bei dieser Variante ist nur, dass man als Arzt nicht sicher sein kann, ob der Patient die Medizin tatsächlich immer und richtig einnimmt. So kann man sich verschlucken oder ein Kind hustet die Tropfen aus, wodurch zu wenig Allergenextrakt das Immunsystem stimuliert. Oder die Einnahme wird ganz einfach vergessen. Bei der subkutanen Variante dagegen taucht der Patient alle vier bis sechs Wochen in der Praxis auf, man kann ihn nach dem Vertragen der letzen Injektion und der Wirkung befragen. Die Spritze wird gegeben, das Immunsystem wird mit richtiger Dosis zum richtigen Zeitpunkt in Richtung Normalzustand stimuliert. Fertig.

Wie ist Ihre bisherige Bilanz?

Fakt ist leider, dass die Therapie-Abbruchsquote bei der Daheim-Variante mit Tabletten oder Tropfen höher ist. Deswegen bevorzuge ich das Verfahren mit Injektion.

Aber die Erfolgsaussichten für all jene, die zuhause an die Einnahme denken, sind ähnlich groß wie bei der Spritze?

Das kann man so sagen.

Und die Dauer der beiden Therapien ist auch vergleichbar?

So ist es. Bei Pollenallergikern sprechen wir von drei Jahren, bei Insektengift-Allergikern sollten es eher fünf Jahre sein.

Dr. Andreas Happ Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Zusatzbezeichnung: Allergologe, im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) des Klinikum Frankfurt (Oder)Ihr Experte für Allergien:
Dr. Andreas Happ
Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten,
Zusatzbezeichnung: Allergologe,
im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ)
des Klinikum Frankfurt (Oder)