Erkrankung der Schilddrüse – Die Tücken der Diagnose

Erkrankung der Schilddrüse – Die Tücken der Diagnose

Viel häufiger als von vielen angenommen ist eine Erkrankung der Schilddrüse die Ursache für Müdigkeit, Antriebslosigkeit, oder auch Gewichtsveränderungen. Seit Jahren besonders auffällig ist die Zunahme der Schilddrüsen-Autoimmun-Erkrankungen, an denen mittlerweile schätzungsweise 200 Millionen Menschen weltweit leiden.

Statistiken zufolge entwickelt jeder dritte Erwachsene im Lauf seines Lebens eine Veränderung der Schilddrüse, bei jeder vierten Person ist die vergrößert. Und ungefähr jede/r Zehnte leidet unter einer ständigen Entzündung dieser wichtigen Hormondrüse.

In den meisten Fällen liegt eine Über- oder Unterfunktion des kleinen, schmetterlingsförmigen Organs vor, das unterhalb des Kehlkopfs im Hals liegt, sagen Chefarzt Dr. Franz Christoph Robiller und Oberärztin Dr. Josephin Meister.

Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog sprechen die Expertin und der Experte über die Tücken der Diagnostik und moderne Möglichkeiten der Therapie, die sie an ihrer Klinik für Nuklearmedizin an der Zentralklinik Bad Berka Ihren Patient:innen anbieten.

 

Viele Menschen leiden unter Symptomen, die bekanntermaßen oftmals nicht oder nicht gleich einer Erkrankung der Schilddrüse zugeordnet werden. Wann sollte man sich Hilfe holen?

Dr. Robiller: Bei unerklärlicher Gewichtszunahme, Lethargie, Müdigkeit, Haarausfall, oder auch Ödemen. All diese Symptome weisen auf eine Schilddrüsen-Unterfunktion hin. Eine Überfunktion hingegen führt zu oft unerklärlicher Gewichtsabnahme, Nervosität, starkem Schwitzen, Unruhe und Haarausfall. Diesen Menschen ist es häufig auch zu warm.

Was tut die Hausärztin bzw. der Hausarzt, wenn man zu ihr/ihm kommt?

Dr. Meister: Sie oder er werden Blut abnehmen und von einem Labor den sogenannten TSH-Wert bestimmen lassen. Zur Erklärung: Die Abkürzung „TSH“ steht für „Thyreoidea-stimulierendes Hormon“, das in der Hirnanhangsdrüse gebildet wird. Funktioniert alles, wie es soll, gibt der Körper das Hormon ins Blut ab, um die Hormonproduktion in der Schilddrüse anzuregen.

Warum gilt die Diagnose-Stellung bei Erkrankungen der Schilddrüse eigentlich generell als schwierig?

Dr. Robiller: In der Regel ist es besonders schwierig, bestimmte Symptome einer Unterfunktion zuzuordnen. Denn Abgeschlagenheit, Müdigkeit, oder auch depressive Stimmungsschwankungen und Gewichtszunahme können bekanntlich auch ganz andere Ursachen haben. Wissen muss man auch, dass die Schilddrüse ein Organ ist, das in alle Stoffwechsel-Prozesse eingreift. Das macht die Diagnose-Stellung natürlich grundsätzlich sehr komplex.

Ist eine Überfunktion sehr viel leichter festzustellen?

Dr. Meister: Eine Schilddrüsenüberfunktion ist zum Beispiel bekannt dafür, Herzrhythmusstörungen auszulösen. Leidet ein Mensch unter ihnen, liegt der Verdacht auf Probleme mit der Schilddrüse dann oftmals zumindest nahe. In vielen Fällen kann ein Screening der Schilddrüse sinnvoll sein und wertvolle Erkenntnisse liefern.

Was sind denn die häufigsten Erkrankungen der Schilddrüse?

Dr. Robiller: Die häufigsten sind glücklicherweise gutartige Erkrankungen. Allgemein ist der Kropf mit oder ohne Knoten bekannt. Ohne Knoten nennt man diese Veränderung „Struma diffusa“. Mit Knoten ist es eine „Struma nodosa“. Bei den über 60-Jährigen ist die vergrößerte Schilddrüse die häufigste Erkrankung der Schilddrüse. Eine Struma, aber auch normal große Schilddrüsen können sogenannte kalte Knoten enthalten. Dabei besteht die Gefahr, dass sich daraus ein Schilddrüsen-Karzinom entwickelt oder bereits vorliegt. Sogenannte „heiße Knoten“ hingegen gehen meist mit einer Überproduktion von Schilddrüsenhormonen mit entsprechender Beschleunigung von Stoffwechsel-Prozessen einher.

Welche Rolle spielen Autoimmun-Erkrankungen im Hinblick auf die Schilddrüse?

Dr. Robiller: Bekannt ist vor allem die Autoimmun-Erkrankung Morbus Basedow als Ursache der sogenannten diffusen Autonomie der Schilddrüse. Grundsätzlich gibt es verschiedene Entzündungen der Schilddrüse, die oft autoimmun vermittelt sind, wie wir das nennen.

Und welche Rolle spielen die von Ihnen erwähnten Schilddrüsen-Karzinome?

Dr. Meister: Sie sind in den vergangenen Jahren etwas häufiger geworden. Bei Frauen sind es elf Neuerkrankungen auf 100.000 Einwohner:innen, und bei Männern sechs. Auch wenn „Karzinom“ für viele erst einmal gefährlich klingt, muss man sagen: Die meisten Schilddrüsen-Karzinome haben eine gute Prognose. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit auf Heilung recht hoch ist.

Lassen Sie uns über die Therapiemöglichkeiten sprechen. Wann helfen Medikamente? Und wann müssen Sie operieren?

Dr. Robiller: Eine Unterfunktion sollte mit Schilddrüsenhormonen behandelt werden, besonders bei Beschwerden. Bei einer Überfunktion müssen wir abwägen, wann eine Operation und wann eine sogenannte Radio-Jod-Therapie sinnvoll ist, die ihre Hauptwirkung nach ungefähr sechs bis acht Wochen entfaltet. In lebensbedrohlichen Situationen, also wenn es besonders schnell gehen muss, ist möglicherweise eine OP unumgänglich.

Von welchen Fällen sprechen Sie da?

Dr. Robiller: Wenn beispielsweise durch eine Überfunktion eine schwere Herzrhythmusstörung ausgelöst wird. Dann müssen wir als Ärzt:innen definitiv dringend handeln.

Wie gefährlich ist ein solcher operativer Eingriff?

Dr. Robiller: Es gibt natürlich Vor- und Nachteile. Bei der Schilddrüsen-Operation kann der Stimmband-Nerv verletzt werden, was schlimmstenfalls zu Heiserkeit bei einseitiger Lähmung führen kann. Um so etwas zu verhindern, werden derartige Eingriffe in gut ausgestatteten und spezialisierten Zentren, wie hier bei uns in der Zentralklinik Bad Berka, immer unter Verwendung eines sogenannten intraoperativen Neuro-Monitorings durchgeführt. Bei älteren Patient:innen, oder generell bei Menschen mit OP-Risiken, sowie bei kleinen Schilddrüsen ist eine Radio-Jod-Therapie das Mittel der Wahl.

Dr. Meister: Wichtig ist uns zu betonen, dass wir die Entscheidung für oder gegen eine Operation immer gemeinsam mit den Patient:innen und interdisziplinär mit Kolleg:innen treffen. Und das setzt natürlich voraus, dass die Betroffenen wissen, was die Vorteile und Nachteile einer jeden Therapie-Option sind.

Kann man einer Erkrankung der Schilddrüse eigentlich irgendwie sinnvoll vorbeugen?

Generell kann das Verzehren von Meeresfischen da helfen, aber leider sind die Ressourcen hier bekanntermaßen endlich. Wer in einem Jod-Mangel-Gebiet wie Deutschland lebt, sollte seine Versorgung mit dem Spurenelement anhand von Jodid-Tabletten verbessern. Besonders dann, wenn ein Jod-Mangel und eine Tendenz zur Struma diagnostiziert worden sind. Grundsätzlich empfehlenswert ist auch, sich regelmäßig mit seiner Hausärztin oder seinem Hausarzt zu beraten und dort den TSH-Wert regelmäßig kontrollieren zu lassen. Sinnvoll sein kann darüber hinaus auch ein Ultraschall der Schilddrüse.

Dieses und weitere Themen finden Sie auch im Freche Fragen-Podcast der Zentralklinik Bad Berka.

Ihre Expert:innen bei Erkrankungen der Schilddrüse

 

 

 

 

 

 

 

 


Chefarzt Dr. Franz Christoph Robiller

Facharzt für Nuklearmedizin und Radiologie
Klinik für Nuklearmedizin, Zentralklinik Bad Berka

 

 

 

 

 

 

 

 


Oberärztin Dr. Josephin Meister

Fachärztin für Nuklearmedizin
Klinik für Nuklearmedizin, Zentralklinik Bad Berka