Wie Menschen im „Weaning-Zentrum“ wieder Atmen lernen

Wie Menschen im „Weaning-Zentrum“ wieder Atmen lernen

Viele lebensbedrohliche Erkrankungen machen es notwendig, dass Patient:innen künstlich beatmet werden. Weniger bekannt ist, dass nach einer derartigen medizinischen Versorgung das eigene Atmen oft erst wieder mühsam erlernt werden muss.

Für diejenigen Menschen, denen diese Kraft selbstständig zu atmen zunächst fehlt, gibt es eine spezielle Entwöhnungstherapie, die auch unter dem englischen Fachbegriff „Weaning“ bekannt ist.

Seit Jahren erfolgreich praktiziert wird diese sehr aufwändige und komplexe Behandlung auch am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt, und zwar auf der neurologischen Intensivstation im Rahmen der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation.

Erst kürzlich ist diese Abteilung erfolgreich von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) zertifiziert worden. Ein Gütesiegel, das nach strengen Qualitätskriterien vergeben wird, und auf das in Bayern nur wenige neurologische Kliniken verweisen können.

„Grundvoraussetzung für eine dauerhafte erfolgreiche Entwöhnung von der Beatmung ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team“, sagen die beiden zuständigen Chefärzte, Dr. Hassan Soda und Dr. Volker Ziegler, im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog.

Konkret bedeutet das, dass hier Intensivpflegekräfte und Intensivmediziner mit speziell geschulten Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden eng zusammenarbeiten. Echtes Teamwork also.

Aus langjähriger Erfahrung wissen hier alle Beteiligten, dass der Entwöhnungsprozess bei jeder/m Patient:in unterschiedlich abläuft, was natürlich eine besonders individuelle Behandlung erforderlich macht. „Grundsätzlich gilt: Je kürzer die Zeit der Beatmung, desto seltener sind Komplikationen bei der Entwöhnung“, erklärt Dr. Soda. Bei schweren Erkrankungen mit Langzeitbeatmung hingegen dauere es oft länger, bis die Atemarbeit wieder vollständig selbst übernommen werden könne. Grundsätzlich ist bekannt: All jene Patient:innen, die länger als sieben Tage über einen Luftröhrenschnitt beatmet werden, brauchen eine intensive Betreuung.

Wie Herr B., ein 73-jähriger Herr, der nach einer einfachen Erkältung zuhause plötzlich kraftlos geworden – und kurz darauf zusammengebrochen war. Nach einem Klinikaufenthalt an einer Universitätsklinik hatte sich seine Atemsituation verschlechtert, was dazu führte, dass er im künstlichen Koma intubiert und beatmet werden musste. Darauf folgte ein Luftröhrenschnitt zur Langzeitbeatmung.

Dann die Diagnose: eine gefährliche Autoimmunerkrankung, die die Nerven angreift und zu einer kompletten Lähmung aller Extremitäten führt. Zum Zeitpunkt der Verlegung auf die neurologische Intensivstation am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt konnte Herr B. sich nicht bewegen, und auch nicht sprechen. Auch eigenständiges Atmen war ihm nicht mehr möglich, da seine Atemmuskulatur nach der wochenlangen künstlichen Beatmung erschlafft war.

Wenig überraschend waren seine ersten Versuche, wieder selbst zu atmen, für Herrn B. sehr anstrengend. Ihm fehlte schlicht die Kraft, ausreichend Luft in seine Lungen zu pumpen.

Bis es dem Team um die beiden Bad Neustädter Chefärzten dann gelungen ist, ihren Patienten nach 1975 Stunden von der Beatmungsmaschine zu entwöhnen. Auch wenn es danach noch einige Zeit gebraucht hat: In kleinen Schritten ist Herrn B. mit Hilfe des integrativen rehabilitativen Behandlungskonzeptes schließlich die vollständige Entwöhnung gelungen. Für die beiden Chefärzte war das ein besonderer Moment, auch nach so vielen ereignisreichen Dienstjahren.

Dieser lohnenswerte, aber oft eben auch langwierige Rehabilitationsprozess ist in Bad Neustadt in ein Klinikum der Schwerpunktversorgung eingebettet, was für die Patient:innen eine Reihe von Vorteilen mit sich bringt: „Moderne Diagnostik und Therapie können durch unser ganzheitlich gedachtes Konzept schnell, individuell, und in der Regel ohne Verlegung in andere Krankenhäuser stattfinden“, sagen Dr. Soda und Dr. Ziegler.

 

Ihre Weaning Experten:

 

Dr. med. Hassan Soda
Chefarzt der Klinik für Akutneurologie / Stroke Unit und neurologische Intensivmedizin

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Volker Ziegler
Chefarzt der Klinik für Neurologische Frührehabilitation und neurologische Intensivmedizin