Was ist dran am Mythos „Männerschnupfen“?

Was ist dran am Mythos „Männerschnupfen“?

Bei eisigen Temperaturen sind Krankheiten wie Grippe und Erkältung wieder auf dem Vormarsch. Die schlimmste Form der Erkältung befällt dabei jedoch nur das starke Geschlecht: Der Männerschnupfen. Husten, Gliederschmerzen, leichtes Fieber und eine laufende Nase setzen selbst die stärksten Männer außer Gefecht. Doch ist diese von Frauen oft müde belächelte Erkrankung wirklich so schlimm oder sind Männer etwa einfach nur gute Schauspieler?

Dass der berüchtigte Männerschnupfen – oder im schlimmsten Fall sogar die Männergrippe – nicht bloß ein Mythos ist, scheinen Studien zu belegen. So untersuchten kürzlich Forscher der Universität Innsbruck Unterschiede in der Immunantwort von Männern und Frauen und fanden heraus, dass das weibliche Sexualhormon Östrogen die Vermehrung der spezifischen Immunzellen, die im Kampf gegen einen bestimmten Erreger besonders wirksam sind, fördert.

Doch was bedeutet das jetzt? Werden Männer häufiger krank? Und gilt: Je höher der Testosteronspiegel, desto schlimmer auch die Beschwerden zur Erkältungszeit? Einer, der den leidgeplagten Männern – und den genervten Frauen an ihrer Seite – hier Entwarnung gibt, ist Dr. Rainer Kuhn. Er ist Facharzt der Klinik für Innere Medizin am Campus Bad Neustadt. „Gewisse immunologische Differenzen“ zwischen den Geschlechtern streitet er zwar grundsätzlich nicht ab, ist allerdings auch der festen Überzeugung, dass der Unterschied marginal ist

Doch alles nur Schauspielerei?

Tatsächlich sind keine gravierenden Unterschiede zwischen den Geschlechtern erkennbar, was die Häufigkeit von grippalen Infekten betrifft. Zwar schwanken die Zahlen, doch unter dem Strich erkranken Frauen sogar etwas häufiger.

Aber was steckt dann hinter dem Männerschnupfen? Kuhn zufolge in erster Linie ein soziokulturelles Phänomen: „Psychologisch betrachtet stellen Männer ihr Leiden zur Schau.“ Er spricht hierbei von einem Akt der Regression, dem Rückfall in kindliches Verhalten. Ein einfacher Schnupfen reicht also scheinbar aus, um das Kind im Manne zum Vorschein zu bringen. „Wir wollen auf den Mutterschoß zurück und getröstet werden.“, erklärt Kuhn. Es gehe darum, Zuwendung und Beistand zu bekommen. „Sekundären Krankheitsgewinn“ nennt der Experte das: Männer wollen etwas Positives aus ihrer Erkrankung ziehen.

Den Grund für dieses Verhalten sieht der Mediziner in der Sozialisation von Männern. Denn wer kennt nicht den altbekannten Spruch „Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“, den oft schon kleine Jungs zu hören bekommen? Der Erziehungsansatz, der hinter Sätzen wie diesen steckt, wirke sich nachhaltig auf das Verhalten von Männern bei gesundheitlichen Problemen aus. Entweder verdrängen Sie Krankheiten oder verhalten sich schlichtweg irrational. „Frauen haben einfach ein unverkrampfteres Verhältnis zu ihrem Körper“, erklärt Kuhn. Und das zeigt sich nicht nur bei Grippe und Erkältungen: „Frauen nehmen zum Beispiel auch zu 50 Prozent häufiger an der Darmkrebsvorsorge teil.“

Sein Fazit zum Mythos Männerschnupfen ist daher eindeutig: „Bei einem ordentlichen Rotz gibt es zwischen Männern und Frauen keinen Unterschied. Es geht den Männern auch nicht schlechter als den Frauen.“

Hausmittel helfen auch bei Männerschnupfen

Um die Qualen jedoch zu verkürzen oder zumindest erträglicher zu machen, können sich erkältete Männer – aber auch Frauen – auf einige wirksame Hausmittel berufen:

– Salzwasser oder Tee gurgeln: Das reinigt Schleimhäute und wirkt entzündungshemmend.

– Salz, Salbei oder Kamille inhalieren: Der heiße Dampf befeuchtet die Nasenschleimhäute und löst Schleim.

– Heiße Wickel: Sie regen die Durchblutung an und lindern Schmerzen.

– Viel trinken: Ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt trägt entscheidend zum eigenen Wohlbefinden und einer schnellen Genesung bei.

– Ruhe: Der Körper braucht Zeit und Kraft, um die Infektion zu bekämpfen. Setzen Sie Ihn daher keiner unnötigen zusätzlichen Belastung aus.

Sollten sich die Beschwerden trotz dieser Tipps verschlechtern oder gar das Fieber ansteigen, so sollte man(n) den Hausarzt aufsuchen. Von irrationalen Handlungen wie einem Krankenhausbesuch rät Kuhn allerdings dringend ab: „Sie glauben gar nicht, wie viele Menschen um Mitternacht in die Notaufnahme kommen und sagen ‚Ich hab‘ so Halsweh‘!“ Er rät ganz allgemein zu einem rationaleren Umgang mit Erkrankungen. Und bei einer Grippe – egal ob Mann oder Frau – vor allem zu Geduld, denn die Besserung kommt meist ganz von allein: „In der Regel dauert es ungefähr eine Woche. Und wenn man es behandelt sieben Tage.“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

 

Dr. Rainer KuhnIhr Experte für Innere Medizin:
Dr. Rainer Kuhn
Facharzt der Klinik für Innere Medizin am Campus Bad Neustadt

 

 

 

 

 

 

 

Weitere Informationen zur Grippe und insbesondere der Grippeschutzimpfung finden Sie hier.

Besonders schlimm vom Schnupfen heimgesuchte Männer finden außerdem hilfreiche Tipps und Infos unter www.maennerschnupfen.org.