Brustkrebs – Selbstuntersuchung ist keine Früherkennung!

Brustkrebs – Selbstuntersuchung ist keine Früherkennung!

In Deutschland erkrankt jede neunte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Und leider wird noch immer viel zu wenig vorgesorgt, sagt Dr. Christine Köhler, Leiterin des Brustzentrum Regio am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Marburg.

Seit 2003 ist ihre renommierte Einrichtung von der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Senologie zertifiziert. Jährlich behandeln hier Gynäkologen, Radiologen, Pathologen, Onkologen und medizinisches Assistenzpersonal circa 400 Neuerkrankungen.

Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog erzählt Frau Dr. Köhler, welche Behandlungsmöglichkeiten von Brustkrebs es gibt, wie sinnvoll eine Selbstuntersuchung ist und welche Risikofaktoren das Entstehen der Erkrankung begünstigen können.

Frau Dr. Köhler, beim Thema Brustkrebs denken die meisten gleich an die Röntgenuntersuchung der Brust. Wie sinnvoll ist diese?

Das sogenannte Mammografie-Screening, das ab dem 50. Lebensjahr angeboten wird, halte ich für sehr sinnvoll. Versäumnisse in der Früherkennung lassen sich oft nicht durch Anwendung moderner Therapien wieder aufholen.

Für Frauen mit auffälligen Befunden und Risikopatientinnen gibt es neben dem Screening die sogenannte kurative Mammografie. Abgesehen von der Röntgenuntersuchung kann ich zudem ein umfassendes Vorsorge-Angebot empfehlen – von der ärztlichen Tastuntersuchung bis zum Ultraschall.

Nimmt die Bevölkerung diese Angebote an?

In Deutschland nehmen im Moment leider nur rund 50 Prozent der Bürger am Mammografie-Screening teil. Für ein Screening-Programm ist das eindeutig zu wenig. Die meisten Menschen haben das Thema offenbar nicht auf dem Schirm. Im Rahmen des Krebsmonat Oktober, möchten wir dafür ein höheres Bewusstsein schaffen. Unser Ziel ist es, Menschen für das Thema Brustkrebs zu sensibilisieren.

Grundsätzlich scheint Vorsorge ja sinnvoll, weil eine Früherkennung die Überlebenschancen laut zahlreicher Studien massiv erhöhen kann…

Das kann man so sagen. Die durchschnittliche Lebenserwartung, über alle Stadien von Brustkrebs verteilt, liegt nach zehn Jahren bei etwas unter 80 Prozent, bei kleinen Tumoren sogar bei über 90 Prozent.

Ab dem 50. Lebensjahr wird die Mammografie also angeboten, wie Sie sagen. Wie steht es um eine professionelle Untersuchung, wenn man jünger ist?

Natürlich gibt es immer die Möglichkeit zum Frauenarzt zu gehen. Die sogenannte Tastuntersuchung steht Patienten ab dem 30. Lebensjahr zur Verfügung. Außerdem kann die kurative Diagnostik auch vor dem 50. Lebensjahr erfolgen, also zum Beispiel Mammografie und Ultraschall.

Brustkrebs bringt man fast immer mit Frauen in Verbindung. Warum ist das so?

Männer erkranken an Brustkrebs ungefähr 100 Mal seltener. Bei ihnen wird auch keine Früherkennung angeboten. Dazu muss man allerdings sagen, dass Männer den Brustkrebs frühzeitig sehr gut ertasten können. Sie entdecken den Befund also häufig selbst. Der richtige Weg führt dann auch bei Männern zum Frauenarzt, also zum Gynäkologen.

Den Krebs ertasten können natürlich auch Frauen. Wie funktioniert das?

Man sollte die Brust im Spiegel anschauen, dabei die Position der Arme ändern, und auf Dinge wie Haut-Einziehungen und die Veränderungen der Brustwarze achten. Bei dieser Art der Untersuchung tastet die rechte Hand die linke Brust ab, und umgekehrt. Und in den Achsenhöhlen sollte man nach den Lymphknoten schauen.

Erwiesen ist jedoch, dass die Selbstuntersuchung der Frau die Brustkrebs-Sterblichkeit nicht senkt. In diesem Sinne ist es keine Früherkennung. Ich halte sie trotzdem für sehr sinnvoll, weil sie das Bewusstsein für die eigene Gesundheit stärkt. Interessanterweise nehmen Frauen, die sich regelmäßig selbst untersuchen, auch wesentlich häufiger die genannten professionellen Früherkennungsangebote wahr.

Merkt man es zuverlässig, wenn „etwas nicht stimmt“?

Viele Dinge merkt man tatsächlich nicht. Es kommt auf die Form und Größe der Brust an. Bei kleinen Brüsten lassen sich Unregelmäßigkeiten oftmals besser ertasten. Grundsätzlich muss man aber nochmals sagen: Die Selbstuntersuchung ist keine Früherkennung! Insofern führt kein Weg an einer professionellen Untersuchung vorbei.

Falls Brustkrebs diagnostiziert und eine Operation notwendig wird: Wie kompliziert ist das?

Prinzipiell lässt sich sagen: Je kleiner der Tumor, desto geringer der Aufwand der Behandlung. Die Therapie besteht aus drei Säulen. Die erste ist die Operation, die zweite die Strahlenbehandlung, die dritte die Medikamententherapie, bei der es viele Möglichkeiten gibt: Zum Beispiel die Chemotherapie, die antihormonelle Therapie, oder auch bestimmte wirksame Antikörper. Mittlerweile bekommt jede Patientin ein individuelles Konzept, je nach Eigenschaften des persönlichen Tumors. Denn anhand komplexer Diagnostik können wir in jedem Fall feststellen, um welche Art von Tumor es sich handelt. Hat man das herausgefunden, entscheiden wir Ärzte darüber, ob zunächst einmal eine Medikamentenbehandlung erfolgt, oder gleich eine Operation. Bei der Operation ist die sogenannte brusterhaltende Therapie die Standardtherapie. Grundsätzlich kann ich beruhigen: Das sind kleine Operationen, die oft nicht einmal eine Stunde dauern.

Gibt es bei Brustkrebs genetische Dispositionen?

Es gibt erblichen Krebs, der allerdings nur um die zehn Prozent des Brustkrebses ausmacht. Bestimmte Gene stellen diesbezüglich ein Risiko dar. Bei familiären Häufungen kann ich also eine genetische Testung empfehlen.

Gibt es sonst noch Risikofaktoren?

Ganz klar sind Übergewicht und Rauchen besondere Risikofaktoren. Allerdings auch die Beschaffenheit der Brust. Frauen, die eine sehr drüsenreiche, dichte Brust haben, tragen ein erheblich höheres Risiko als diejenigen, die eine fettreiche Brust haben. Wichtigste Präventionsmaßnahme ist übrigens Sport.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ihre Expertin für Brustkrebs:
Dr. Christine Köhler
Leiterin des Brustzentrum Regio am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Marburg