Guter Vorsatz: Mit dem Rauchen aufhören

Guter Vorsatz: Mit dem Rauchen aufhören

Dass Zigaretten alles andere als gesund sind, ist jedem bekannt. Doch was genau passiert eigentlich mit unserem Körper, wenn wir rauchen? Professor Dr. Claus Vogelmeier kennt sich hier gut aus. Er ist Spezialist für Lungenheilkunde und Leiter der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Lungenheilkunde am Universitätsklinikum Marburg.

Im Interview mit dem RHÖN-Gesundheitsblog äußert er sich zu gängigen Fehleinschätzungen hinsichtlich des Rauchens, spricht über die Gefahren der E-Zigarette – und gibt Einblick in moderne Therapiemöglichkeiten gegen Lungenkrebs.

 

Herr Prof. Vogelmeier, Rauchen soll Schätzungen zufolge 90 Prozent aller Lungenkrebserkrankungen verursachen, zudem 73 Prozent aller anderen Lungenerkrankungen, 65 Prozent der Mundkrebsfälle und jede dritte koronare Herzerkrankung. Das klingt beängstigend.

Das sind die Zahlen aus großen Erhebungen. Darüber hinaus gibt es noch andere Karzinome, die mit dem Rauchen zusammenhängen. Besorgniserregend ist außerdem die arterielle Verschlusskrankheit, durch die Patienten dermaßen eingeschränkt werden, dass sie nicht mehr gehen können. Unter Umständen werden hier sogar Amputationen erforderlich.

20 Zigaretten am Tag sollen jährlich eine Kaffeetasse voll Teer in der Raucherlunge hinterlassen. Kann sich die Lunge davon überhaupt wieder vollständig erholen? Und falls ja: Wie lange dauert das?

Es kommt darauf an, ob die Lungenstruktur schon geschädigt ist, oder noch nicht. Wenn sich die Lunge in Folge des Rauchens bereits umgebaut hat, kann sie sich nicht mehr zu ihrem Ursprungszustand zurückentwickeln. Beim Menschen hört die Lunge mit dem zwanzigsten Lebensjahr auf zu wachsen. Daher kann etwas Kaputtes sich nicht mehr regenerieren. Wenn jemand mit 16 Jahren angefangen hat zu rauchen, und er hört mit 25 Jahren auf, wenn er noch keine strukturelle Lungenerkrankung hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auf seinen ursprünglichen Zustand zurückkehren kann, hoch.

Und was ist, wenn eine strukturelle Schädigung der Lunge schon eingetreten ist?

Dann kann man immerhin den Status Quo eventuell erhalten. Bestimmte Symptome werden sich verbessern, aber der Schaden ist nicht mehr zu reparieren. Was man verringern kann, ist das Risiko, dass jemand in Zukunft ein Lungenkarzinom bekommt. Dieser Krebs ist eine der größten Gefahren, die mit dem Rauchen verbunden ist. Es gibt eine Reihe von Studien, die belegen, dass je später man mit dem Rauchen aufhört, desto größer das verbleibende Risiko ist, später an einem Lungenkarzinom zu erkranken. Das heißt natürlich auch, dass man sein Risiko vermindert, wenn man früher aufhört mit dem Rauchen.

Bei der Raucherlunge verengen sich die Luftröhren in der Lunge. Symptome sind Atemnot und Hustenreiz. Können Sie das bestätigen?

Ja. An verschiedenen Stellen treten schwerwiegende Veränderungen auf. Zur Erklärung: In den Bronchien der Lunge befinden sich ein Schleimfilm und sogenannte Flimmerhärchen, die dafür sorgen sollen, dass der eingeatmete Dreck wieder aus der Lunge heraustransportiert wird. Durch das Rauchen werden diejenigen Zellen, die den Flüssigkeitsfilm produzieren, umgebaut – und damit ändert sich auch der Schleim. Er wird zäher, und er wird mehr.

Was bedeutet das für Betroffene?

Menschen, die chronisch rauchen, bekommen oftmals eine chronische Bronchitis. Das führt dazu, dass sie andauernd etwas aushusten. Das Zweite, was passieren kann, ist, dass die Atemwege zu eng werden. Das Hauptsymptom ist dabei Atemnot bei Anstrengung. Und wenn es sehr schlimm wird, auch im Ruhezustand und im Liegen. Beim Asthma kommt und geht die damit verbundene Problematik, im Gegensatz dazu sind bei der Krankheit, die durchs Rauchen hervorgerufen wird, die Bronchien immer zu eng. Zum Dritten bauen sich durch das Rauchen die Lungenbläschen um. Da, wo der Gasaustausch stattfindet, entstehen große Luftsäcke, was man als Emphysem bezeichnet.

Weil Rauchen das Immunsystem schwächt, soll das Zahnfleisch anfälliger für Entzündungen werden. Das kann den Kieferknochen schädigen und schrumpfen lassen. Letztlich kann das Zahnfleisch den Zahn nicht mehr halten, und er fällt aus. Stimmt das?

Ja, das stimmt leider. Eine weitere Folge kann außerdem verminderte Zeugungsfähigkeit sein. Bei schwangeren Frauen kann das Rauchen erheblichen negativen Einfluss auf das ungeborene Kind haben. Hier kann es zu Wachstumsverzögerungen kommen, und die Lungenreifung des Kindes kann beeinträchtigt werden.

Lassen Sie uns über die E-Zigarette reden, die viele ja offenbar als „gesunde Alternative“ zur regulären Zigarette begreifen…

Bei der E-Zigarette sorgen Propylenglykol und Glyzerin dafür, dass es dampft. Fakt ist, dass bei diesem Verdampfungsprozess weniger krebserzeugende Stoffe erzeugt werden als bei einer normalen Zigarette. Schlicht deswegen, weil nichts verbrannt wird. Nikotin selbst aber ist ein Zellgift und kann Tumoren auslösen. Darüber hinaus werden sehr viele Geschmacksstoffe beigemischt: ob Waldmeister, Himbeere, oder sonst etwas. Diese Stoffe sind bisher nicht darauf untersucht, was sie auslösen. Es gibt mittlerweile aber erste Hinweise darauf, dass sie durchaus nicht ungefährlich sind.

Was sind das für Stoffe?

Es sind fast alles sogenannte Aldehyde, sie sind also basisch. Solche Stoffe können grundsätzlich schwere Schleimhautschäden hervorrufen. Die kürzlich bekannt gewordenen mehreren Tausend Krankheitsfälle mit einer Reihe von Todesfällen in den USA sind möglicherweise darauf zurückzuführen, dass Raucher neben den Geschmacksstoffen in Eigenregie noch andere Dinge beimischen, zum Beispiel Cannabinoide, also THC. Und offenbar zudem noch Substanzen, die das Ganze strecken sollen. Dieser Cocktail ist dann offenbar lungentoxisch.

Was ist also Ihr derzeitiges Fazit zur E-Zigarette?

Insgesamt liegt die Vermutung nahe, dass eine einfache E-Zigarette, die nur mit Nikotin auskommt, ungefährlicher ist als eine reguläre Zigarette. Das erhöhte Risikopotenzial entsteht wohl hauptsächlich durch die diversen Zusatzstoffe, die beigemischt werden. Und das hatte die Wissenschaft bisher kaum auf dem Schirm.

Gibt es auf diesem Gebiet Studien, die bemerkenswert sind?

Mittlerweile gibt es eine erste gute Studie zur Rauchentwöhnung mit E-Zigaretten. Ein zentrales Ergebnis lautet, dass es durchaus funktionieren kann, Menschen anhand der E-Zigarette von der regulären Zigarette zu entwöhnen. Und zwar besser als mit Nikotinersatzpräparaten. Die Erfolgsquote war hier ungefähr doppelt so hoch. Trotzdem: Es waren immer noch 80 Prozent der Raucher, die es nicht geschafft haben. Zudem ist ein Problem, dass diejenigen, die auf E-Zigaretten umgestiegen sind, auch auf E-Zigaretten geblieben sind, also eben nicht zu Nichtrauchern geworden sind.

Viele Menschen glauben, dass es ungefährlich ist, wenn sie ab und an einmal eine Zigarette rauchen. Dabei sollen schon ein bis zehn Zigaretten am Tag das Lungenkrebsrisiko um das Zehnfache steigern…

Diese „eine Zigarette” ist wirklich ein Problem, man muss es so sagen. Ein Beispiel, das nahelegt, dass nur konsequentes Handeln zum Erfolg führt, ist das folgende: Man hat herausgefunden, dass starke Raucher, die ihren Zigarettenkonsum etwa um die Hälfte gesenkt haben, keinen merklichen gesundheitlichen Vorteil davon hatten. Studien legen nahe, dass man die Dosis um mindestens 90 Prozent verringern muss, um sein eigenes Gesundheitsrisiko merklich zu verringern.

Jetzt zum Thema Haut. Die Haut eines 40-jährigen Rauchers entspricht angeblich der eines 60-jährigen Nichtrauchers. Können Sie das bestätigen?

Man kann viele Raucher tatsächlich am Aussehen erkennen. Die Hautalterung fällt oftmals sehr auf. Interessanterweise ist sie noch ausgeprägter, wenn die Menschen zusätzlich noch an einer strukturellen Lungenerkrankung leiden. Hintergrund ist, dass wir in der Haut alle möglichen Zellen haben, die die Haut straff halten und ein glattes Erscheinungsbild produzieren. Und ebendiese Zellen werden offenbar durchs Rauchen geschädigt. Es entstehen Falten, und das sorgt für eine älter aussehende Haut. Deswegen sehen viele Raucher älter aus, als sie eigentlich sind.

Im schlimmsten Fall bekommen Menschen vom Rauchen Lungenkrebs. Wie ist dieser behandelbar?

Wenn jemand ein Lungenkarzinom bekommt, oder der Verdacht darauf besteht, gibt es heute eine sehr moderne Diagnostik, die uns Ärzte genau erfassen lässt, um welchen Tumortyp es sich handelt, und wo er sich befindet. Hier spielt die sogenannte Endoskopie eine tragende Rolle. Mittlerweile gibt es ein Verfahren, das sich endobronchialer Ultraschall nennt.

Mit diesem kann man sozusagen durch die Wand durchleuchten und Lymphknoten aufspüren, die hinter ihr liegen. Dadurch wird eine viel genauere Diagnostik als früher möglich. Zum Zweiten lässt sich auch ein Teil jener Patienten behandeln, die die vorhin angesprochenen krankhaften großen Luftsäcke entwickelt haben. Hier können wir neben den klassischen medikamentösen und nicht medikamentösen Behandlungsverfahren anhand von endoskopischen Techniken Ventile in die Bronchien einbauen, die dafür sorgen, dass keine Luft mehr in die Lunge einströmt, wohl aber ausströmt.

Dadurch dass in Folge derjenige Teil der Lunge schrumpft, der sowieso nichts zum Gasaustausch beiträgt, wird die Atemarbeit des Patienten reduziert. Das heißt, dass die Betroffenen für ihre gesunden Lungenanteile wieder mehr Platz im Brustkorb haben und wieder entspannter atmen können.

Mit dem Rauchen aufhören: Ein guter Vorsatz, der sich lohnt!

 

Prof. Dr. Claus Franz Vogelmeier Leiter der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Marburg

 

 

 

 

 

 

Ihr Experte für Lungenheilkunde:
Prof. Dr. Claus Franz Vogelmeier
Leiter der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Marburg