Volkskrankheit Fettleber: Smoothies vermeiden!

Volkskrankheit Fettleber: Smoothies vermeiden!

Die Zahlen sind alarmierend: Mittlerweile leiden zwischen 20 bis 30 Prozent der Menschen in Deutschland an der sogenannten nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung. In schlimmen Fällen kann diese zum Herzinfarkt oder Schlaganfall führen, oder sogar zum Tod.

Ausgewiesene Expertin für die Leber betreffende Krankheiten ist die Professorin Elke Roeb. Sie ist Abteilungsleiterin der Gastroenterologie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen und federführende Autorin der medizinisch vielbeachteten Leitlinie „Nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen“.

Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog spricht sie über das Tückische an der Fettleber und die Hauptgründe für ihre Entstehung. Darüber hinaus gibt sie Tipps, wie man der Erkrankung aktiv vorbeugen kann.

Frau Professorin Roeb, was genau ist eigentlich eine Fettleber?

Zu lesen ist oft von der „NAFLD“. Diese Abkürzung steht für „nicht-alkoholische Fettleber-Erkrankung“. Wir sprechen hier von der Einlagerung von Fett in den einzelnen Leberzellen. Und wenn diese Einlagerung mehr als fünf Prozent der Leberzellen betrifft, dann spricht die Medizin von einer Fettleber-Erkrankung.

Welchen Stellenwert hat diese Krankheit aktuell in Deutschland?

Wir sprechen ganz klar von einer Volkskrankheit. Hierzulande sind 25 Prozent der Bevölkerung von dieser chronischen Lebererkrankung betroffen. Bei Vorliegen von Risikofaktoren wie Übergewicht oder Typ-2-Diabetes steigt die Prävalenz der NAFLD auf 60-75 Prozent an. Man unterscheidet zwischen der einfachen Verfettung und der Entzündung einer schon vorhandenen Verfettung. Diese kann dann übergehen in eine sogenannte Leberfibrose, einen vernarbenden Prozess in der Leber, bei dem sich immer mehr Narbengewebe um die Leberzellen herum anlagert, bis die Leber irgendwann nicht mehr funktionsfähig ist. Und in den schlimmsten Fällen, auch in eine Leberzirrhose.

Woran merkt man, dass man an einer Fettleber leidet?

Die Patient:innen selbst haben kaum Symptome. Das ist das Tückische. Denn eine normale Leberverfettung zeichnet sich nicht durch klinische Merkmale aus. Der Hausarzt kann die Fettleber allerdings im Ultraschall erkennen. Sollte es schon zu Entzündungsvorgängen gekommen sein, dann sieht er im Labor erhöhte Leberwerte. Zu diesem Zeitpunkt werden die Betroffenen dann für gewöhnlich in die Leberambulanz überwiesen, also zum Beispiel hierher in unsere Klinik.

Die Fettleber wird oft mit Diabetes mellitus in Verbindung gebracht, und auch mit Übergewicht…

Ja, das ist erwiesen. Typ-2-Diabetes mellitus und Übergewicht sind tatsächlich die häufigsten Ursachen für die Fettleber. Es kann sein, dass die Fettleber den Diabetes verursacht, oder umgekehrt. Das ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. In der Regel liegt zuerst die Fettleber vor, und dann entwickeln die Menschen einen Typ-2-Diabetes. Vor allem bei Kindern können wir das beobachten. Leider tritt die Fettleber schon oft im Kindesalter auf: 15,4 Prozent der Kinder in Deutschland sind übergewichtig, und 5,9 Prozent adipös. Mit fast 10 Prozent ist NAFLD die häufigste chronische Lebererkrankung im Kindes- und Jugendalter.
Wir Mediziner gehen davon aus, dass sich die Krankheit weiter verbreitet. Die Industrienationen sind schon länger verstärkt betroffen, in Südostasien, Mittelamerika und in vielen arabischen Ländern wächst die Häufigkeit mittlerweile auch.

Woran liegt das?

An zwei Dingen: Fehlende oder mangelnde Bewegung, hauptsächlich durch sitzende Tätigkeit – und Übergewicht. Die Ernährung spielt nur dann eine Rolle, wenn sie zum Übergewicht führt. Gefährlich sind diesbezüglich auch hochkonzentrierte Fruktose-Drinks, wie zum Beispiel Smoothies. Natürlich ist Fruktose, wie man sie in Obst findet, als solche nicht schädlich. Sondern nur dann, wenn sie hochkonzentriert aufgenommen wird. Wir können also weiterhin täglich Obst essen, ohne dass es uns schadet.

Warum ist eine hohe Konzentration schädlich?

Weil Fruktose ungehindert über unsere Darmzellen in die Leber aufgenommen wird – und dort genauso zu Glukose und Fett verstoffwechselt wird wie andere Kohlenhydrate. Problem ist auch, dass wir nach der Einnahme hochkonzentrierter Fruktose-Getränke zunächst kein Sättigungsgefühl verspüren.

Zu welcher Art von Ernährung raten Sie stattdessen?

Gemüse, Salat und Obst sind wichtig. Diese gehören ebenso wie ungesättigte Fettsäuren (pflanzliche Fette statt tierische) zur mediterranen Kost, die uns guttut. Wer unter einer Fettleber leidet, profitiert in der Regel von einer gemäßigten Kalorienzufuhr. Rauchen sowie übermäßiger Alkoholkonsum (mehr als 10 Gramm pro Tag bei Frauen und 20 Gramm pro Tag bei Männern) sind ebenfalls schlecht für die Leber. Kaffee entfaltet hingegen eine schützende Wirkung.

Oft ist zu hören, dass die Leber uns viele Sünden „verzeiht“. Stimmt das?

Prinzipiell sind viele die Leber betreffende Erkrankungen reversibel. Wir sprechen hier von der Verfettung, der Fettleber-Hepatitis und der leichtgradigen Fibrose. Das heißt, dass diese Stadien umkehrbar sind, wenn man entsprechende therapeutische Maßnahmen ergreift.

Was ist, wenn jemand schon eine komplett vernarbte Leber hat?

Hier sprechen wir von einer Leberzirrhose im Endstadium. In diesem Fall ist die Architektur der Leber zerstört. Und dieser Vorgang ist dann leider nicht mehr umkehrbar. Hier bleibt oft nur noch die Lebertransplantation.

Wie können Sie Patient:innen helfen?

Die Basis der NAFLD-Therapie ist die Ausdauerbewegung. Wichtig für adipöse Menschen ist, dass sie nicht mit Vollgas, sondern langsam und konstant Gewicht abnehmen. Hau-ruck-Diäten ohne Aufnahme von Kalorien führen nur zu dem bekannten Jojo-Effekt, bewirken also langfristig eher eine Gewichtszunahme als eine konstante Abnahme.

Gibt es sinnvolle Medikamente?

Derzeit gibt es in der EU noch kein für die Behandlung der Fettleber zugelassenes Therapeutikum. Es gibt allerdings Präparate, die für den Typ-2-Diabetes zugelassen sind, von denen man aus Studien weiß, dass sie auch die Verfettung und die durch Fett hervorgerufene Entzündung in der Leber positiv beeinflussen. Daneben gibt es viele Medikamente, die im Moment im Rahmen von Studien näher untersucht werden.

Was muss das erklärte Ziel sein, wenn eine Fettleber diagnostiziert worden ist?

Gewichtsabnahme! Was wir beobachten: Wenn man zehn Prozent des eigenen Körpergewichts abnimmt, dann verbessert sich die Fettleber mit Entzündung (NASH) und sogar die Fibrose – in 90 Prozent der Fälle! Bestenfalls ist die Verfettung danach überhaupt nicht mehr vorhanden. Fakt ist aber leider auch, dass es nur fünf bis zehn Prozent der Betroffenen schaffen, dauerhaft so viel abzunehmen.

Wie erklären Sie sich das?

Wichtig ist mir zu betonen: Wir sprechen hier nicht vom Rennen oder Marathonlaufen. Es geht um lockere Ausdauerbewegung. Darunter versteht man mindestens drei Stunden pro Woche, oder 45 Minuten pro Tag. Problem ist, dass das Krankheitsbild Fettleber in der Regel sehr lange „antrainiert“ ist. Das „Abtrainieren“ erfordert oftmals sehr viel Energie und die Überwindung der alten Gewohnheiten.

Warum ist gerade die Ausdauer so wichtig?

Weil wir während einer kurzzeitigen Aktivität noch anhand unserer Blut-Glucose energetisch versorgt werden. Die Fettspeicher in der Leber werden erst im Rahmen einer Ausdauer-Bewegung angezapft. Grundsätzlich geht es also um eine moderate Bewegung über eine längere Zeit hinweg. Niemand ist gezwungen loszurennen. Lieber in Ruhe durch den Park walken! Wenn man das jeden Tag macht, ist der Effekt wirklich beeindruckend.

Haben Sie sonst noch Anregungen für Betroffene, die helfen könnten?

Es gibt hervorragende Studien, die nahelegen, dass ein hoher Kaffeegenuss, also mindestens drei bis vier Tassen pro Tag, sich sehr günstig auf die Lebergesundheit auswirkt. Und zwar völlig unabhängig davon, ob er koffeinhaltig ist, oder nicht. Mittlerweile wissen wir, dass Betroffene, die viel Kaffee trinken, weniger Leber-Krebs oder -Zirrhosen entwickeln, und, wie gesagt, eine insgesamt bessere Lebergesundheit haben.

Prof. Elke Roeb

 

 

 

Ihre Expertin für Lebererkrankungen:
Prof. Dr. Elke Roeb
Abteilungsleiterin der Gastroenterologie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen