Kinderpsychosomatik: Das Lachen ist zurück

Kinderpsychosomatik: Das Lachen ist zurück

12-Jähriger berichtet über stationäre Therapie in der Gießener Familien- und Kinderpsychosomatik

Louis aus Mittelhessen ist 12 Jahre alt. Freundlich, aufgeweckt und manchmal ein wenig nachdenklich erzählt er per Videokonferenz von seinem Leben. Ein Leben, in dem nach der Trennung seiner Eltern irgendwie der rote Faden, der alles zusammen hielt, verloren ging. Louis war fünf Jahre alt, als seine Eltern sich trennten. Er blieb bei der Mama, den Papa sah er regelmäßig. So weit so gut. Doch die Gefühle von Hilflosigkeit, Unsicherheit, Schuldfragen und Loyalitätskonflikte gegenüber den Eltern angesichts dieser einschneidenden Veränderung kamen und blieben. Daran hat niemand Schuld, das passiert, wenn Lebenswege plötzlich steil und steinig werden. Viel Arbeit für eine Kinderseele, solch dicke Brocken aus dem Weg zu räumen, manchmal zu viel.

Wie oft sprechen wir von einem „schweren Herzen“,  einem „Kloß im Hals“, einem „Knoten im Magen“ oder einer „Last auf den Schultern“ wenn uns etwas auf der „Seele brennt“. Und tatsächlich kann es dann der Körper sein, der Alarmsignale sendet, wenn die Psyche dringend Hilfe braucht. Louis bekam Asthma, Louis bekam Migräne und schließlich vor gut einem Jahr auch noch eine chronische Magendarmerkrankung, Morbus Crohn, kurz MC. „Schon vorher war mir schnell alles zu viel“, erzählt Louis. Jeden Dienstag ging er zu dieser Zeit zu seinem Papa, doch auch das wurde irgendwann zu viel.“ Ich habe ihm einen Brief geschrieben, um ihm das zu erklären aber er hat es nicht verstanden“. Louis fühlt sich abgelehnt, wenn er daran denkt oder darüber spricht, ist das unangenehm und er muss auf Toilette. Es wird immer schlimmer, schließlich diagnostizieren die Ärzte der Gastroenterologie  an der Gießener Kinderklinik einen Morbus Crohn. Eine chronische Erkrankung, die lebenslang regelmäßig beobachtet und medikamentös behandelt werden muss. Louis und seine Mama bekommen dort auch das Angebot für ein Gespräch in der Familien- und Kinderpsychosomatik. Hier schaut man gerade bei chronischen Erkrankungen genauer hin: verursacht oder verstärkt eine psychische Belastung die Erkrankung und den problematischen Umgang damit oder löst die Erkrankung zusätzliche psychische Belastungen aus? „Wir haben uns Infomaterial mitgenommen, aber da Louis sowieso schon in psychotherapeutischer Behandlung war, war das für uns erstmal kein Thema“, sagt seine Mutter.

Doch alles verschlechtert sich, Louis kommt mit der Erkrankung nicht klar, ekelt sich vor den notwendigen Bauchspritzen und hat große Probleme mit der Ernährungsumstellung: „Ich wollte die Krankheit nicht akzeptieren, wollte sie einfach ausblenden. Ich durfte vieles nicht mehr essen und ich hatte doch auch schon Asthma und Migräne“, sagt Louis. Aus dem einst fröhlichen Jungen wird ein trauriges, in sich gekehrtes, sprachloses Kind. Dazu kommen die Einschränkungen der Corona-Pandemie, ein Umzug weg von den Freunden und eine neue Schule. In dieser Abwärtsspirale gibt es dann doch ein Beratungsgespräch in der Gießener Kinderpsychosomatik. „Danach wollte ich da unbedingt hin. Das hat sich perfekt angehört. Ich habe gedacht, dass ist das Einzige, was mir hilft“, berichtet Louis. Für seine Mutter, Christina, war das kein einfacher Schritt. Den Sohn über Wochen oder gar Monate abgeben. Nur ein Besuch pro Woche und lediglich abends mal telefonieren: „Ich wollte das eigentlich nicht. Aber wenn ein Kind in diesem Alter das so formuliert, kann man das nicht ignorieren.“

„Den anderen ging es ja wie mir, da war ich nicht mehr alleine“

 Vier Monate lang war Louis dann in der stationären Therapie. Eine feste Tagesstruktur mit viel Sport und Bewegung, mit Gruppen- und Einzelgesprächen, mit Schule und vor allem mit Kontakt zu anderen Kindern. Das waren Bedingungen, die auch angesichts der Pandemie-Beschränkungen draußen, deutlich besser waren. „Ich war am Anfang schüchtern, aber am 4. Tag bin ich aufgetaut und habe die anderen kennen gelernt. Denen ging es ja wie mir. Da war ich nicht mehr alleine. Und immer, wenn ich sehr traurig war, konnte ich mit den anderen Kindern sprechen. Das war richtig gut. Auch der Sport hat mir voll Spaß gemacht.“

Familien und Kinderpsychosomatik Gießen
Hier auf der Station der Familien- und Kinderpsychosomatik hat Louis auch neue Freunde gefunden.

Auch in den wöchentlichen therapeutischen Familiengesprächen, die am Anfang noch schwierig waren, konnte schließlich viel geklärt werden. Louis sieht seinen Vater jetzt wieder regelmäßig, das Verhältnis ist besser geworden. In der neuen Wohnung ist er gut angekommen und stolz auf seinen kleinen Bruder, der im vergangenen Dezember zur Welt kam. Zu einigen Kindern, die er in der Klinik kennen gelernt hat, hält er auch weiter Kontakt: „Ich habe da neue Freunde gefunden, das ist toll. Wir telefonieren und schreiben uns.“ Mit seinen Erkrankungen hat sich der 12-Jährige mittlerweile gut arrangiert: „Ich nehme 10 Tabletten am Tag, aber das geht ganz gut. Meinen MC kann ich jetzt akzeptieren und mein Asthma ist gut eingestellt. Ich bin sehr froh darüber, dass ich jetzt wieder in die Schule gehen kann.“

Louis mit seinem Bruder

Bei Louis ist das Lachen zurück und mit dem kleinen Bruder besonders schön. Dass sie der Therapie trotz anfänglicher Zweifel zugestimmt hatte, darüber ist seine Mutter heute sehr froh: „Ich habe gesehen, wie ein sehr trauriger, fast depressiver Junge da hinein ging. Wie er dann aufgeblüht ist, das war für mich ein Geschenk, da kommen mir immer noch die Tränen. Es ist großartig. Er nimmt seine Tabletten, ist sehr selbstständig geworden. Ich bin so froh, dass der alte Louis wieder da ist und uns alle mit seiner Fröhlichkeit ansteckt.“

Autorin: Christine Bode

Diesen und weitere Beiträge finden Sie im Klinik-Magazin des UKGM

 

Ihre Experten:
Abteilung für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie am Standort Gießen
Kinder- und Familienpsychosomatik