Alzheimer-Demenz: Wie eine Sprechstunde dabei hilft, Ängste abzubauen

Alzheimer-Demenz: Wie eine Sprechstunde dabei hilft, Ängste abzubauen

Die Sprechstunde von Privatdozent Dr. Axel Weber ist unter anderem für Menschen gedacht, die Angst davor haben, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Als einer der kommissarischen Leiter des Institut für Humangenetik des Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen bietet er genetische Beratung an und eröffnet Menschen die Möglichkeit, feststellen zu lassen, ob familiäre Risikofaktoren für eine Alzheimer-Erkrankung vorliegen, oder nicht.

Gespräche von existenziellem Inhalt, viele Emotionen und Ängste – all das erlebt der Experte seit vielen Jahren. Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog berichtet Dr. Weber über den aktuellen Stand der Demenz-Forschung und gibt Ratschläge, wenn die Krankheit oder die Angst vor der Krankheit das Leben bestimmt.

Herr Dr. Weber, was ist die Motivation von Menschen, Ihre Sprechstunde zu besuchen?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es vielen Familien sehr hilft, eine gestellte Diagnose im Gespräch aufarbeiten zu können – und sie im besten Fall danach medizinisch richtig eingeordnet werden kann.

Mit welcher Sicherheit können Sie denn ausschließen, dass die Alzheimer-Demenz bei jemandem ausbricht?

Grundsätzlich ist ein solcher Ausschluss genetisch immer sehr schwierig. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Alzheimer-Demenz – und auch andere Demenz-Krankheiten – keine rein genetisch verursachten, sondern sogenannte multifaktorielle Erkrankungen sind.

Was bedeutet das?

Zum Risikofaktor „genetische Anlage“, den man in sich tragen kann, müssen immer noch äußere Umstände hinzukommen.

Gesichert ist: Das Hauptrisiko an einer Demenz zu erkranken, ist das Alter. Und weil die Menschen immer älter werden, häufen sich Demenz-Erkrankungen zunehmend.

Das heißt umgekehrt, dass etwa eine gesunde Lebensweise dazu beitragen kann, dass Alzheimer trotz Anlage nicht „ausbricht“?

Grundsätzlich ja. Die genetischen Faktoren sind nicht zu 100 Prozent penetrant, wie wir Mediziner das nennen. Das bedeutet, dass eine genetische Anlage für eine Alzheimer-Demenz vorliegen kann, aber nicht notwendigerweise auch als Erkrankung ausbrechen muss. Man kann also, wie andere Familienmitglieder auch, einen genetischen Risikofaktor in sich tragen. Und trotzdem müssen nicht alle Anlageträger auch im Laufe ihres Lebens an einer Demenz erkranken. Einen Unterschied können Lebensumstände und Ernährung, aber auch andere äußere Faktoren, wie zum Beispiel chronische Entzündungen, machen. Besondere zusätzliche Risikofaktoren sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus. Auf der anderen Seite lernen wir heute aber auch, dass bestimmte Umstände die Chance vergrößern können, dass eine Alzheimer-Demenz nicht oder erst sehr viel später ausbricht. Zum Beispiel bestimmte Formen von Darmbesiedelungen (Mikrobiom). Dabei spielt auch eine große Rolle, ob das Immunsystem intakt ist.

Was sagen Sie Menschen, die besorgt sind, an Demenz zu erkranken?

Häufig melden sich Kinder von Personen, die an Alzheimer erkrankt sind, bei mir. Wir überlegen uns dann von Fall zu Fall, ob es überhaupt sinnvoll ist, in die genetische Diagnostik einzusteigen – oder eben nicht. In vielen Fällen bleibt es dabei auch einfach beim Gespräch.

Muss man denn als junger Menschen schon Angst vor Alzheimer haben?

Grundsätzlich lässt sich die Alzheimer-Erkrankung in zwei Alterskategorien aufteilen: Die sogenannte späte bzw. klassische Form („Altersdemenz“) tritt in der Regel im höheren Lebensalter auf, also nach dem 65. Lebensjahr – und oftmals ohne einen starken familiären genetischen Risikofaktor. In drei bis fünf Prozent der Fälle tritt Alzheimer allerdings schon vor dem 65. Lebensjahr auf. Hier sprechen wir von der frühen Alzheimer-Erkrankung. So etwas kann dann ein erster Hinweis darauf sein, dass innerhalb einer Familie ein schwerwiegender genetischer Risikofaktor vorliegen könnte.

Was tun sie in derartigen Situationen?

Wichtig für uns ist dann herauszufinden, ob eine familiäre Häufung der Erkrankung vorliegt. Ist das der Fall, ist das Vorliegen eines schwerwiegenden genetischen Risikofaktors noch wahrscheinlicher.

Welche Erkenntnisse kann die Genetik in diesem Bereich überhaupt anbieten?

In einem Teil der Fälle bei frühem Krankheitsbeginn und familiärer Häufung gibt es durchaus diagnostische Möglichkeiten. Und ein Großteil dieser Patient:innen entscheidet sich dann auch für eine Diagnostik. Damit eine solche im Verlauf dann auch für Angehörige vorausschauend, also prädiktiv, durchgeführt werden kann, muss allerdings in der entsprechenden Familie schon einmal eine Alzheimer auslösende Mutation bei einer/-m Betroffenen nachgewiesen worden sein.

Eine Diagnose, die sicher psychisch sehr belastend sein kann…

Derartige Sorgen kenne ich natürlich aus meiner Sprechstunde. Viele Patient:innen kommen auch hierher, ohne eine genaue Vorstellung davon zu haben, was genau sie eigentlich von mir wissen möchten. In anderen Fällen sitzen hier jüngere Familienmitglieder, die größtmögliche Klarheit haben möchten, auch im Hinblick auf ihre eigene Lebensplanung. Letztendlich muss jeder dann selbst entscheiden, was er wissen möchte – und was nicht.

Die Alzheimer-Demenz gilt nach wie vor als nicht heilbar. Es heißt aber, man könne den Verlauf der Krankheit in manchen Fällen ausbremsen…

Es wird viel geforscht und es besteht die Hoffnung, in Zukunft Möglichkeiten zu finden. Ideal ist es dann, wenn man mit derartigen Ansätzen möglichst frühzeitig beginnt, also bevor Nervenzellen unwiederbringlich geschädigt wurden. Schon deshalb halte ich es in vielen Fällen für sehr sinnvoll, genetische Risikofakten abklären zu lassen, wenn es dafür eine medizinische Indikation gibt.

Warum gibt es derzeit noch kein wirksames Medikament, bei all der Forschung?

Grundsätzlich ist es extrem aufwändig, in diesem Feld die Wirksamkeit von Medikamenten nachzuweisen. Und aufgrund des notwendigen Studiendesigns dauert es sehr, sehr lange.

Haben Sie trotzdem Hoffnung, dass es irgendwann demnächst ein „Mittel gegen Alzheimer“ geben könnte?

Es gibt durchaus vielversprechende gentherapeutische Ansätze. Hier werden Viren injiziert, mit dem Ziel ein Eiweiß zu produzieren, das hilft, die Gedächtnisfunktion zu stabilisieren.

Kann man denn frühzeitig im Leben verhindern, dass Alzheimer überhaupt erst ausbricht?

Meine Ratschläge sind erstaunlich einfach – und schützen im besten Fall auch vor einer ganzen Reihe weiterer Erkrankungen:

Ausdauersport, gesunde Ernährung, nicht rauchen! Das sind die äußeren Faktoren, die von jedem Menschen selbst beeinflussbar sind.

Und was geben Sie all jenen mit, die von der Krankheit betroffen sind, ob direkt oder als Angehörige?

Vielen Familien hilft das Netzwerken, zum Beispiel in regionalen Gruppen. Das höre ich immer wieder. Die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft zum Beispiel hat ein ganz tolles Onlineangebot mit gutem Informationsmaterial. Viele Menschen müssen den Kontakt zu anderen Betroffenen erst einmal zulassen. Ist das einmal getan, tut der zwischenmenschliche Austausch in der Regel sehr gut.

 

 

 

 

 

 

Ihr Experte für die genetische Beratung bei Demenz-Erkrankungen:
Privatdozent Dr. Axel Weber
komm. Leiter des Institut für Humangenetik des Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen