Schnarchen und Schlafstörungen

Schnarchen und Schlafstörungen

Was passiert im Schlaflabor?

Unruhig wälzt sich der kleine Patient hin und her. Die dünne, hellblaue Wolldecke hat der Zehnjährige schon längst mit den Beinen ans Fußende seines Bettes geschoben. Auch das Zureden seiner Mutter, die im Bett direkt neben ihm liegt, und der mitgebrachte Teddybär helfen nicht viel.

„In fremden Betten schläft man anfangs nicht besonders gut“, erklärt die Arzthelferin. Das ist bei allen Patienten so – auch den Erwachsenen. Wie US-Forscher jüngst herausgefunden haben, liegt es daran, dass die linke Hirnhälfte in ungewohnter Umgebung in der sogenannten Habacht-Stellung verharrt. Das heißt, sie bleibt wacher als die rechte, sagen die Wissenschaftler der Brown University.

Polysomnografie, also die Schlaflaboruntersuchung, wird bei den jungen Patienten häufig in zwei aufeinander folgenden Nächten durchgeführt. Bei Kindern unter drei Lebensmonaten kann die Messung noch tagsüber erfolgen. Erwachsene hingegen bleiben in der Regel zur Diagnostik nur eine Nacht.

Die Schlafforschung, oder auch Somnologie, ist als Wissenschaft ein relativ junges Teilgebiet der Medizin. Erst in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts entstand sie, nachdem die sogenannte REM-Phase (Rapid Eye Movement) entdeckt wurde – Abschnitte im Schlaf mit schnellen Augenbewegungen und höherer Gehirnaktivität.

Krankhaftes Schnarchen

Im Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrum des Klinikum Frankfurt (Oder) werden neben einer Vielzahl von Erkrankungen, wie zum Beispiel dem krankhaften Schnarchen, Ein- und Durchschlafstörungen, Epilepsien und Schlafverhaltensstörungen, hauptsächlich schlafbezogene Atmungsstörungen (Schlafapnoe) diagnostiziert.

In der technischen Zentrale, direkt neben dem Raum, in dem der Patient schläft, beobachtet die Arzthelferin zwei Bildschirme. Auf dem linken verlaufen bunte Linien, teilweise in wilden Wellen.

„Wir messen Parameter wie Atmung, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz und Hirnströme sowie die Aktivität der Muskulatur und der Augenbewegungen.“
Dr. Nils Heinze, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Klinikum Frankfurt (Oder).

Dazu werden an den Patienten eine Reihe von Sensoren angebracht, deren Drähte hinter dem Kopf in einer Art Pferdeschwanz gebündelt sind. Aus den Messergebnissen – mehrere Hundert Seiten mit roten, blauen und grauen Linien – können Ärzte nach arbeits- und zeitintensiver Analyse der Daten die passende Therapie ableiten.

Zusätzlich zu den physiologischen Funktionen im Schlaf werden alle Bewegungen der Patienten mit der Infrarotkamera auf Video aufgezeichnet. Die Erfahrung ist im Vorfeld einer Untersuchung von großer Bedeutung, um herauszufiltern, welche Fälle tatsächlich für eine Polysomnografie geeignet sind. Dazu gehört das Sichten zahlreicher ausgefüllter Fragebögen, Schlafprotokolle und Arztberichte.

Bildquelle: Thilo Schmülgen

Typisch für die meisten Fälle

Im zweiten Schlafraum liegt ein 47-jähriger Mann. Über eine Atemmaske wird mit leichtem Überdruck Raumluft in Nase und zum Teil auch Mund geblasen. So verhindern die Fachleute, dass seine Atemwege zusammenfallen und die Luftzufuhr unterbrochen wird. „Der Patient ist typisch für die meisten Fälle bei uns“, sagt Heinze. Gelangt keine Luft mehr in die Lunge, wird der Patient kurz wach und holt Luft.
Oft bleiben diese vielen nächtlichen Weckreaktionen unbemerkt. Sie stören jedoch den Schlaf, sodass es zu Symptomen wie starker Schläfrigkeit am Tag und Konzentrationsschwäche kommt. „Diese Symptome sind wichtige Alarmsignale“, sagt Dr. Heinze. Häufig werden die gesundheitlichen Folgen jedoch unterschätzt. Die Folgeerkrankungen der Schlafapnoe können lebensbedrohlich sein. Bluthochdruck zum Beispiel oder ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

Schon einfache Methoden können helfen, bei einer leichten Schlafapnoe die Zahl der Atemaussetzer zu reduzieren: Gewichtsreduktion und Sport, auf Alkohol verzichten oder mit Rauchen aufhören. Auch das Schlafen in Seitenlage kann hilfreich sein. Manche Patienten lassen sich einen Tennisball in den Rückenteil ihres Schlafanzugs einnähen. Klingt lustig, ist aber tatsächlich wirkungsvoll. In vielen Fällen aber hilft nur eine Beatmung mit einer speziellen Maske.

„Manche Patienten lassen sich einen Tennisball in den Rückenteil ihres Schlafanzugs einnähen.“
Dr. Nils Heinze, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Klinikum Frankfurt (Oder)

Manchmal werden im Schlaflabor die Ursachen für zunächst unerklärliche Phänomene entdeckt. Der kleine Patient zum Beispiel ist sehr überdreht, kann sich häufig schlecht konzentrieren. Hier wird schnell ADHS – das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom – vermutet.
Doch es kann auch ein gestörter, nicht erholsamer Schlaf sein, der zu einem solchen Phänomen führt. Das Restless Leg Syndrom, also eine überdurchschnittliche Aktivität der Beinmuskulatur, führt beispielsweise dazu, dass Patienten nicht ausreichend erholt aus dem Schlaf erwachen. Bei Erwachsenen führt es zu Müdigkeit und Schläfrigkeit, bei Kindern zu Hyperaktivität.

Häufig liegt bei einem familiären genetischen Risiko ein Eisenmangel vor. Hier hilft in der Regel eine etwa dreimonatige Nährstoffergänzung mit Eisen, und die Symptome sind deutlich gemindert. Die Patienten schlafen wieder tief und fest, werden ausgeglichen und leistungsfähig.

Um fünf Uhr morgens wird der Patient geweckt, es sind genügend Daten für die Analyse durch die Oberärzte gesammelt – und die Schicht der Arzthelferin geht zu Ende. Wenn sich die Vermutung der Ärzte bestätigt und er mit einer Eisenkur wieder zu erholsamen Schlaf findet, wird es wohl seine letzte Nacht im Schlaflabor gewesen sein.

 

Ihr Experte
Dr. Nils Heinze, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Klinikum Frankfurt (Oder) 

 


Schlaflabor des Klinikum Frankfurt (Oder)
Viele Krankheiten lassen sich erst anhand einer Schlaflabor-Untersuchung aufspüren. Diese komplexen Analysen führt das Klinikum Frankfurt (Oder) seit mittlerweile über 20 Jahren durch. Jährlich werden hier 400 bis 500 Patienten behandelt. Im Schlaflabor des Klinikum Frankfurt (Oder) wurden zunächst nur Kinder untersucht, seit 15 Jahren allerdings auch erwachsene Patienten.