Kreidezähne – Die unterschätzte Gefahr

Kreidezähne – Die unterschätzte Gefahr

Das neue Karies? Vor allem Kinder und Jugendliche leiden immer häufiger unter sogenannten Kreidezähnen, im Fachjargon auch Molaren-Inzisive-Hypomineralisation (MIH) genannt. Dabei gilt diese Erkrankung der Zähne als vergleichsweise neu, kann aufgrund ihres extrem häufigen Auftretens allerdings mittlerweile schon als Volkskrankheit bezeichnet werden, sagt Professor Norbert Krämer, Direktor der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde des Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen, im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog. Er spricht davon, dass in Deutschland mittlerweile zwischen 10 und 28 Prozent der Kinder und Jugendlichen betroffen sind.

Von der Erkrankung in Mitleidenschaft gezogene Zähne sehen aus, als seien sie von Karies befallen: gelb-braun gefärbt, manchmal auch mit großen Defekten, wie Experten das nennen. Da der Zahnschmelz weich und porös ist, kann den Kindern auch das Kauen wehtun. In manchen Fällen brechen sogar ganze Stücke vom Zahn ab. „Betroffene Zähne weisen in schweren Fällen massive Überempfindlichkeiten, vor allem Kälteempfindlichkeit, auf. Teilweise treten auch Schmerzen beim Zähneputzen auf, was im Alltag der betroffenen Kinder zur Beeinträchtigung der Lebensqualität führen kann“, sagt Professor Krämer.

Noch wisse die Medizin leider viel zu wenig über die Entstehung der Kreidezähne, sagt er: Mittlerweile gehen Experten von einem Zusammenspiel verschiedener Ursachen aus. Problematisch könnte zum Beispiel sein, wenn Babys und Kleinkinder sogenannte Bisphenolen, die man unter anderem als Weichmacher aus Kunststoffen (BPA) kennt, über die Nahrung aufnehmen. Tierversuche haben nachgewiesen, dass durch diese chemischen Verbindungen die Schmelzbildung der Zähne empfindlich gestört wird. Verdächtig seien zudem ein abnorm niedriger Kalziumgehalt des Bluts, Sauerstoffmangel in den Geweben sowie frühe Atemwegserkrankungen bei Kindern.

Aufgrund dieser Unsicherheit hinsichtlich der genauen Entstehungsgründe bestehe „dringender Handlungsbedarf zur Ursachenklärung“, sagt Professor Krämer. Auch bezüglich einer adäquaten Therapie der betroffenen Zähne müsse dringend weiter geforscht werden. „Die Struktur des Schmelzes dieser Zähne ist durch einen bis zu 20-fach erhöhten Proteinanteil porös, sodass sie aufgrund der geringeren Härte der Kaubelastung nicht standhalten“, sagt der Experte für Kinderzahnheilkunde. Bei der ärztlichen Versorgung der Zähne zeige sich eine hohe Misserfolgsrate, unter anderem aufgrund der Problematik, dass die sehr jungen Kinder aufgrund ihrer Schmerzerfahrung nur begrenzt beim Zahnarzt mitarbeiten können. Zudem habe sich die Stabilisierung der erweichten Zahnhartsubstanz als problematisch erwiesen.

Heilen lassen sich Kreidezähne zwar bislang nicht, geholfen werden kann Betroffenen aber dennoch: Zahnärzte füllen die kranken Zähne klebend mit keramischen Füllungsmaterialien auf. Das nehme die Schmerzen, isoliere den Zahnnerv – und sorge dafür, dass die betroffenen Kinder wieder kräftig zubeißen können. Ansonsten helfen auch Zahnpasten mit Fluorid, weil diese den Zahnschmelz stärken und Karies wirksam verhindern.

Klinikdirektor Univ.-Prof. Dr. med. dent. Norbert Krämer

 

 

 

 

 

 

 

Ihr Experte für Kinderzahnheilkunde:
Prof. Dr. Dr. Norbert Krämer
Direktor der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde
Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen