Zecken-Gefahr: „Gegen FSME hilft nur die Impfung!“

Zecken-Gefahr: „Gegen FSME hilft nur die Impfung!“

Mit der Zeckensaison sollte auch das regelmäßige Absuchen des Körpers nach den aggressiven kleinen Tierchen beginnen, rät Oberarzt Stefan Schlesinger von der Klinik für Akutneurologie / Stroke Unit und neurologische Intensivmedizin am Campus Bad Neustadt. Der Zeckenexperte empfiehlt zudem, sich frühzeitig gegen FSME impfen zu lassen, denn die Folgen einer Virusinfektion können verheerend sein.

Besonders in den Monaten Juni bis September ist die Gefahr eines Zeckenbefalls besonders hoch. Gerade in den sogenannten Hochrisikogebieten, zu denen vor allem die deutschen Mittelgebirge zählen, ist es sinnvoll, während dieser Zeit sein Kind und seinen Partner täglich auf Zecken abzusuchen.

„Die Zecke sollte nicht getötet werden, bevor sie von der Haut entfernt wurde“, sagt Oberarzt Stefan Schlesinger. Als Neurologe beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit Zecken – und auch mit den oft schwerwiegenden Folgen einer Infektion.

Grundsätzlich, sagt er, müsse man zwischen zwei Arten von Infektionen unterscheiden. Neben dem gefürchteten weil aggressiven Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)-Virus gibt es auch die Borreliose, bakterienähnliche Spirochäten, die wesentlich weniger gefährlich sind – und sich zudem mit Antibiotika gut bekämpfen lassen.

Gegen FSME hingegen hilft nur eine vorbeugende Impfung, die besonders all jenen Menschen zugute kommt, deren Wohnort sich in einem Hochrisikogebiet (Karte) befindet. Diese liegen in Deutschland vor allem innerhalb der Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg.

Wer gebissen wurde und sich mit dem Borreliose-Bakterium infiziert hat, sieht zunächst eine sogenannte „Wanderröte“, eine Infektion in der Haut. Erfasst diese das Nervensystem des Menschen, sprechen Experten von einer Neuroborreliose. Bei Kindern äußert sich diese meist in Form einer Meningitis, bei Erwachsenen häufig in einer Entzündung einzelner Nerven.

Schreitet die Infektion über Jahre hinweg voran, spricht man von einer chronischen Neuroborreliose. Diese könnte sehr selten zu einer demenzähnlichen Symptomatik führen. Durch eine Borrelieninfektion bedingte psychische Langzeitbeschwerden sind allerdings wissenschaftlich bis heute nicht belegt.

Außerdem, sagt Stefan Schlesinger, sei eine Infektion des Nervensystems sehr selten. Statistisch gesehen spricht man von 0,8 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Der Arzt rät darüber hinaus dazu, Krankheiten vor ihrer Behandlung von Experten möglichst genau eingrenzen zu lassen: „Nicht jede Depression oder Frühjahrsmüdigkeit ist eine chronische Neuroborreliose“.

Zudem gibt es auch anderswo Entwarnung. So könne auch das Immunsystem gute Arbeit leisten: „Wenn eine Borrelie im Blut auftaucht, das Immunsystem diese erkennt und zerstört, dann ist das eine gesunde Immunreaktion und für den Patienten positiv.“ Problematisch sei jedoch, sagt der Arzt, dass sich das Immunsystem eine einmal stattgefunden Infektion nicht merke. Man könne sich also jedes Jahr aufs Neue mit Borrelien infizieren.

Allerdings sollte man auch bedenken, dass nicht jeder Zeckenbiss automatisch krank mache. Aus diesem Grund geben Ärzte in der Regel auch keine Antibiotika als Prophylaxe. „Die beste Prophylaxe, die wir haben, ist, das eigene Kind oder den Partner während der Zecken-Hochzeiten, also zwischen Juni und September, einmal am Tag gründlich nach Zecken abzusuchen“, sagt Stefan Schlesinger.

Denn die Infektion mit dem Bakterium braucht eine gewisse Dauer des Saugaktes. Erst nach 24 Stunden sind genügend Borrelien-Erreger in das Blut übertragen worden, um eine Entzündung herbeizuführen. Findet man am Abend nach dem Befall eine Zecke und entfernt sie, findet also keine Infektion statt. „Innerhalb von zwölf Stunden ist der Mensch mit Sicherheit nicht mit Borrelien infiziert“, sagt der Experte.

Neben den Borrelien gibt allerdings auch das gefürchtete FSME-Virus. Lebt man in einem Hochrisikogebiet, was Zecken angeht, so empfiehlt Stefan Schlesinger zur effektiven Vorbeugung dringend eine geeignete Impfung beim Haus- oder Kinderarzt. Für eine Grundimmunisierung sind zunächst drei Impfungen im Abstand mehrerer Monate notwendig. Danach ist alle drei bis fünf Jahre eine Auffrischung erforderlich, um den Impfschutz aufrecht zu erhalten. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen in der Regel in Risikogebieten die Kosten für FSME-Schutzimpfungen. Zur Kostenübernahme sind sie jedoch bei Urlaubsreisen nicht verpflichtet.

Fest steht: Eine solche Impfung lohnt sich in jedem Fall. Denn die Folgen einer Infektion mit dem FSME-Virus können verheerend sein: Untersuchungen legen nahe, dass es im Erkrankungsfall, einer Hirn- oder Rückenmarksentzündung, bei etwa der Hälfte aller Patienten zu Restbeschwerden komme, bei jedem Zehnten zu bleibenden neurologischen Schäden, und bei jedem Hundertsten gar zum Tod.

Besonders zu bedenken ist: Im Gegensatz zur Übertragung von Borrelien auf den Menschen, die erst 24 Stunden nach Beginn des Saugaktes erfolgt, gelangen FSME-Viren bereits beim Beginn des Blutsaugens von der Zecke auf den Menschen. Gerade deshalb ist eine möglichst frühzeitige Impfung – Experten raten das 5. Lebensjahr an – sinnvoll. „Wer einmal eine FSME-Infektion gesehen hat, wird niemals auf die Idee kommen, mit einer vorbeugenden Impfung abzuwarten“, sagt Stefan Schlesinger. Als optimalen Zeitpunkt für die FSME-Impfung rät er das Winterhalbjahr an, allerdings sei auch im Frühling eine FSME-Grundimmunisierung möglich.

Hinweise auf die Krankheit sind, ähnlich wie bei der Influenza, hohes Fieber, das nach einer gewissen Zeit plötzlich mit neurologischen Symptomen einer Meningitis einhergeht, also etwa starken Kopfschmerzen, Wesensänderung, Müdigkeit, Lähmungserscheinungen, aber auch epileptischen Anfällen.

Obwohl im Idealfall eine Impfung vor der Infektion stattfinden sollte, führe man sie auch noch zum Zeitpunkt der Infektion durch, sagt Stefan Schlesinger. Denn sei der Virus im Blut erst einmal nachgewiesen, könne hierdurch der Verlauf der Krankheit möglicherweise abgemildert werden. Das sei wichtig, denn gegen FSME existiere noch immer keine Therapie. Eine kleine gute Nachricht gibt es dennoch: FSME wird nicht von Mensch zu Mensch übertragen.

Wer einmal mit Zecken zutun hatte, weiß: Die kleinen Tiere sind zäh. Sie überleben problemlos Gefrierschrank-Temperaturen von minus 20 Grad. Wurden sie einen Tag eingefroren, wachen sie anschließend wieder auf, als wäre nichts gewesen. Auch einen Waschgang überleben sie in der Regel.

Um ihnen erst gar nicht die Möglichkeit zu geben, sich auf der menschlichen Haut festzuwanzen, kann, gerade während Spaziergängen im Grünen, eine lange Hose helfen. Beim Absuchen sollte man bedenken, dass Zecken besonders gerne dorthin krabbeln, wo es feucht ist. Bei Kindern etwa setzen sie sich gerne hinter dem Ohr und unter den Achseln fest.

Hat sich die Zecke einmal verortet, sollte man sie keinesfalls zerquetschen, rät Stefan Schlesinger. Drückt man unvorsichtigerweise doch, pumpt man die in der Zecke befindlichen Bakterien direkt in die Blutbahn des befallenen Menschen.

Stattdessen, rät der Experte, sei es sinnvoll, eine feine, metallene Zeckenschlinge rund um den Saugrüssel herumzulegen und die Zecke so herauszuziehen. Das klappe auch bei kleinen Zecken, den sogenannten Nymphen, gut.

Ihr Experte für neurologische Erkrankungen:

 

 

 

 

 

 

Stefan Schlesinger
Oberarzt an der Klinik für Akutneurologie / Stroke Unit und neurologischen Intensivmedizin
am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt