„Von Mangelernährung sind mehr Menschen betroffen, als man sich das vielleicht vorstellt“, sagt Tobias Trautvetter, Diplom-Trophologe und an der Zentralklinik Bad Berka als Diabetes- und Ernährungsberater tätig.
In seinem Beruf lernen er und sein Team Menschen kennen, die aufgrund ihrer Krankheit nicht mehr genug essen und trinken können. Im vergangenen Jahr waren es über Tausend Patientinnen und Patienten, die hier versorgt worden sind.
„Oftmals sitzen sie vor ihrem Lieblingsessen, und können einfach nicht essen. Das ist schlimm und frustrierend“, weiß Tobias Trautvetter aus jahrelanger Erfahrung. Nicht nur die Patientinnen und Patienten selbst, sondern auch deren Familien würden unter solchen auch psychisch sehr belastenden Situationen leiden, sagt er: „Essen ist nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern auch Lebensqualität. Merken tun wir das meistens erst dann, wenn es nicht mehr richtig geht.“
Von einer Mangelernährung sind in erster Linie Personen betroffen, deren Verdauungstrakt durch eine Operation an Magen, Darm, Bauspeicheldrüse oder Leber eingeschränkt ist. Zum anderen aber auch Personen mit chronischen Darmerkrankungen. „Bei ihnen fehlen dann oftmals wichtige Nährstoffe im Körper“, sagt Tobias Trautvetter.
Daneben gibt es auch die onkologischen Patient:innen, also jene, die an Krebs leiden. Nicht nur die Erkrankung selbst belastet die Menschen dann, sondern auch die Nebenwirkungen der Therapie. „Die Folge ist, dass die Menge an Essen und Trinken, die beim Patienten quasi „ankommt“, oftmals nur noch sehr gering ist“, sagt der Experte.
Quantitative und qualitative Mangelernährung
Grundsätzlich unterscheidet seine Disziplin zwischen einer quantitativen und einer qualitativen Mangelernährung. Erstere, bei der der Körper quasi insgesamt zu wenig „Treibstoff“ bekommt, tritt meist nach umfangreichen Operationen am Magen-Darm-Trakt auf. „In solchen Fällen beobachten wir oft, dass die Menschen vor ihrem vollen Teller sitzen, und plötzlich einfach keinen Appetit mehr haben“, sagt Tobias Trautvetter. Von Letzterer ist dann die Rede, wenn dem Körper bestimmte Stoffe fehlen. In solchen Fällen setzt die Ernährungsberatung dann zum Beispiel auf Vitamin-B-Spritzen oder andere Präparate.
Die Hauptaufgabe von Tobias Trautvetter und seinem Team ist es, größeren Gewichtsverlust bei ihren Patient:innen zu vermeiden. Warum das sehr wichtig ist, erklärt der Experte anhand eines Beispiels: „Wenn ein Auto keinen Sprit mehr hat, bleibt es stehen. Nicht so unser Körper. Der macht immer weiter. Und wenn von außen nicht genug Energie zugeführt wird, muss er an seine Reserven. Wenn diese aber auch zu Neige gehen, macht er trotzdem weiter. Dann geht es sehr schnell an die Muskeln, die immer weiter abgebaut werden. Wenn keine Fettpölsterchen mehr da sind, geht es an die Organe. Und spätestens dann wird es lebensgefährlich!“
Im Bereich der Onkologie deuten wissenschaftliche Zahlen darauf hin, dass jeder Vierte nicht an der Erkrankung selbst, sondern an Mangelernährung stirbt. Das Thema ist also sehr ernst zu nehmen.
Screening auf Mangelernährung
„Jede Patientin und jeder Patient, der zu uns in die Klinik kommt, wird von der Pflege standardmäßig auf eine mögliche Mangelernährung gescreent“, sagt der Ernährungsexperte. Dabei handelt es sich um das sogenannte Nutritional-Risk-Screening.
Auf elektronischem Weg werden die Ernährungsfachleute dann beauftragt, die Menschen aufzusuchen und sie gezielt zu unterstützen. „Wir können uns für die Leute Zeit nehmen, das ist sehr wichtig“, sagt Tobias Trautvetter. „Gerade im Bereich der Onkologie sind es oft längere Zeiträume, in denen wir Kontakt haben. Da geht es um Beratung an sich, aber oftmals verabreichen wir auch Trinknahrung, reichern Essen gezielt mit bestimmten Stoffen an, oder ernähren künstlich.“
Das geschieht in Fällen, in denen alle anderen Versuche, die Menschen mit Nahrung zu versorgen, fehlgeschlagen sind. Hilfsmittel ist dann die sogenannte parenterale Ernährung, bei der die Patient:innen ihre Nahrung anhand einer nächtlichen Infusion über die Vene aufnehmen.
Menschen an die Hand nehmen
Neben Betroffenen, die in der Klinik versorgt werden, kümmert sich das Ernährungsteam auch um Menschen, die zuhause sind und ihre Ernährung genau im Blick haben müssen. „Wir zeigen dann zum Beispiel, wie man Mahlzeiten gezielt selbstständig mit Kalorien anreichern kann. Wichtig ist aber natürlich auch, dass das Essen schmeckt!“, sagt der Experte. Was für Unbeteiligte banal klingen mag, ist für Menschen, die eine Chemo-Therapie durchlaufen, alles andere als selbstverständlich, weiß man hier an der Klinik. Denn bei ihnen ist oftmals der Geschmackssinn stark beeinträchtigt.
Für Tobias Trautvetter ist sein Job ein besonderer, sagt er im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog. Dass er ihn gerne macht, merkt man ihm an. Und die langjährige Berufserfahrung weiß: „Wir behandeln zu 70 Prozent die Seele, und zu 30 Prozent den Körper.“
Ihr Experte für gesunde Ernährung:
Tobias Trautvetter
Klinik für Innere Medizin/Gastroenterologie und Endokrinologie
Diplom-Trophologe, Ernährungsberater/Diabetesberater (DDG) an der Zentralklinik Bad Berka