Nicht nur gegen Masern: Dieser Experte erklärt, warum Impfen Leben retten kann

Nicht nur gegen Masern: Dieser Experte erklärt, warum Impfen Leben retten kann

Impfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten Maßnahmen, um sich selbst und andere vor ansteckenden Krankheiten zu schützen. Moderne Impfstoffe sind gut verträglich und haben nur in seltenen Fällen unerwünschte Nebenwirkungen.

Auch wenn im Kampf gegen das Coronavirus nach wie vor kein Impfstoff zugelassen ist, sollte nicht vergessen werden, dass es gegen viele lebensbedrohliche Erkrankungen schon heute hochwirksame Impfstoffe gibt.

Doch offenbar werden viele dieser Impfungen noch immer zu wenig von der Bevölkerung genutzt. Das belegen wissenschaftliche Studien. Fakt ist auch: Diese Impfmüdigkeit gefährdet die Gesundheit vieler Menschen.

Das weiß auch Professor Dr. Klaus-Peter Zimmer aus eigener Erfahrung. Er ist Abteilungsleiter Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen.

Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog erklärt der Experte, warum es sinnvoll ist, sich gegen Masern und andere Erkrankungen impfen zu lassen, und welche Impfungen er besonders empfiehlt.

Herr Professor Zimmer, auch wenn offensichtlich noch immer viele Eltern grundsätzlich gegen Impfungen ihrer Kinder sind: Warum sollte man sich gegen Masern und andere seit Langem bekannte Erkrankungen impfen lassen?

Ganz einfach: Weil diese Krankheiten immer wieder zu schweren Krankheitsverläufen oder sogar zum Tod führen.

Von welchem Risiko genau sprechen wir hier?

Bricht die Krankheit Masern aus, trägt man als Nicht-Geimpfter grundsätzlich ein Risiko von 1:1.000 bis 1:10.000, eine Hirnhautentzündung zu entwickeln. Diese verläuft in vielen Fällen erwiesenermaßen tödlich. Lässt man sich hingegen impfen, trägt man kein Risiko. Es ist also offensichtlich so, dass eine Impfung keine Nachteile, sondern nur Vorteile mit sich bringt. Das ist wie ein kostenloses Auto, mit dem jeder herumfahren darf. Solch ein Angebot würde doch auch fast jeder annehmen, denke ich.

Können Sie Ihre Patienten von solchen Logiken überzeugen?

Manche ja. Leider sehe ich aber regelmäßig auch Patienten, bei denen die Kinder nicht geimpft sind. Oftmals sind es tragische Fälle, bei denen die Kleinen krank geworden sind – und die Eltern ihren Fehler im Nachhinein einsehen. Fakt ist: Hochspezialisierte Experten, wie Impfstoffentwickler wissen natürlich, dass bei einer Impfung gesunde Individuen behandelt werden. Von daher sind auch die gesetzlichen Auflagen hoch, die von einem Impfstoff erfüllt werden müssen, bevor dieser zugelassen wird. Hier werden grundsätzlich keine Risiken eingegangen. Wichtig zu wissen ist außerdem: Die zugelassenen Impfstoffe haben einen hohen Wirkungsgrad, sind also sehr effektiv.

Für alle, die schlicht und einfach Angst vor dem Impfen haben: Was passiert hier genau?

Es ist kein Hexenwerk, sondern ein ganz einfacher und logischer Vorgang: Man verabreicht dem Körper durch einen Pieks in den Muskel einen Teil eines Bakterium-Antigens – entweder abgetötet oder, bei sogenannten Lebendimpfstoffen, in abgeschwächten Teilen.

Was wird dadurch erreicht?

Man baut hiermit eine Immunität auf, die dann von einer richtigen Infektion schützt. In der Folge bilden sich Antikörper oder sogenannte T-Zellen, die fortan als „Erinnerungszellen“ im Körper vorhanden sind. Wenn dann eine tatsächliche Infektion stattfindet, werden diese sofort mobilisiert und bauen eine funktionierende Abwehr auf.

Welche Impfungen würden Sie als Experte grundsätzlich empfehlen?

Zunächst gilt: Impfungen, die nach dem Impfplan im Kindesalter stattfinden, aber nicht vollständig oder nur teilweise erfolgten, sollten bis zum Erwachsenenalter nachgeholt werden. Für Tetanus und Diphtherie werden lebenslang regelmäßige Auffrisch-Impfungen empfohlen.

Zum Beispiel die Impfung gegen Keuchhusten?

Das ist leider immer noch eine gefährliche Erkrankung. Die Impfung dagegen sollte auch im Erwachsenenalter immer wieder aufgefrischt werden. Der Erwachsene sollte außerdem gegen Tetanus, Diphterie, Hepatitis B, Windpocken, Poliomyelitis, Meningokokken, Masern, Mumps und Röteln geimpft sein. Wichtig ist auch die Papillomvirus-Impfung bei Pubertierenden, also für alle zwischen dem neunten und dem 14. Lebensjahr.

Wie sieht es bei älteren Menschen aus?

Ihnen würde ich neben der Keuchhusten-Impfung noch die Herpes-Zoster-, Influenza- und Pneumokokken-Impfung empfehlen. Wichtig sind viele dieser Impfungen besonders für all jene Menschen, die chronisch erkrankt sind, also zum Beispiel an immunologischen oder Stoffwechsel-Erkrankungen leiden.

Was ist mit den klassischen Reiseimpfungen?

Bevor man in ferne Länder reist, wie zum Beispiel Cholera- oder Tollwut-Gebiete, sollte man sich grundsätzlich von Experten wie Tropenmedizinern beraten lassen, welche weiteren Impfungen im individuellen Fall sinnvoll sind. Viele davon werden finanziell auch von diversen Krankenkassen übernommen und sind mittlerweile auch wesentlich besser verträglich, als sie das früher waren.

Noch mal zurück zu Masern: Wann sollte hier geimpft werden?

Die erste Impfung im Leben sollte im Alter zwischen elf und 14 Monaten stattfinden, die zweite Impfung im Alter zwischen 15 und 23 Monaten. Diese wird in Deutschland allerdings oft verpasst. Sind diese Impfungen im Kindesalter nicht verabreicht worden, müssen sie dringend nachgeholt werden. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Impfung gegen Windpocken oder Meningokokken.

Wie viele Leute haben denn hierzulande einen ausreichenden Masern-Impfschutz?

Bei Masern ist das Problem, dass wir bei der genannten zweiten Impfung einfach nicht auf die wichtigen 95 Prozent Durchimpfung der Gesellschaft kommen. Wäre dieses Ziel erreicht, könnte man endlich eine Ausrottung der Masern erwarten. Derzeit kommt es leider immer wieder zu Ausbrüchen. Die müssten aber einfach nicht sein.

Ihr Experte für Impfungen:
Prof. Dr. Klaus-Peter Zimmer
Abteilungsleiter Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen