Botulismus – eine fast vergessene Erkrankung

Botulismus – eine fast vergessene Erkrankung

Lediglich 20-40 Fälle mit Botulismus beim Menschen werden jedes Jahr in Deutschland gemeldet. Allerdings kommt es immer wieder zu Fällen mit öffentlichem Interesse, sei es durch gehäufte Fälle durch verunreinigte Lebensmittel, einer Zunahme von Botulismus bei Rindern oder wenn in den Medien darüber berichtet wird, dass Botulinumtoxin, das auslösende Gift, als Kriegswaffe von Terroristen verwendet wird.

Die Zusammensetzung des Giftes ist seit 1897 bekannt. Das darin enthaltene Bakterium ist relativ unempfindlich gegenüber Sauerstoff und in der Lage, als Ruheform (Spore) lange Zeit ohne Nahrung zu überleben. Zudem ist es  widerstandsfähig gegenüber Hitze und Kälte. Die Vergiftung selbst wird meist durch verdorbenes Fleisch oder nicht ausreichend eingekochtes Gemüse, z. B. aus Konserven oder Einweckgläsern, hervorgerufen. Weitere Formen sind die Vergiftung in verletztem Gewebe wie nach Unfällen, wenn Erreger in die Wunde gelangen, oder Vergiftungen von Säuglingen.

Das Gift blockiert die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln. Meist sind nach einigen Stunden zunächst kleinere Muskeln, wie die Augenmuskeln betroffen – es kommt zu verschwommenem oder doppelt Sehen. Aber auch Zungen-, Gaumen- und Schluckmuskeln können betroffen sein. In schweren Fällen werden alle Muskeln des Körpers bis hin zur Atemwegsmuskulatur beeinträchtigt, so dass es durch Lähmung der Herz- und Atemwegsmuskulatur zum Tod durch Ersticken oder Herzstillstand kommen kann. In 50 bis 90 Prozent der unbehandelten Fälle tritt dies nach 3 bis 10 Tagen ein.

Im Falle des amerikanischen Studenten Otto Warmbier, der nach einer Inhaftierung in Nordkorea verstorben ist, kann den Medienberichten und der Einschätzung der Universitätsklinik Cincinnati entnommen werden, dass es sich um eine schwere Lebensmittelvergiftung möglicherweise durch Botulinum gehandelt haben könnte, die durch ihre Schwere wahrscheinlich zu einem Sauerstoffmangel oder einem vorübergehenden Herzstillstand geführt hat. Die erlittenen Hirnschäden wären in einem solchen Fall auf den Sauerstoffmangel im Gehirn zurückzuführen.

Diagnosestellung und Therapie

Die Diagnosestellung ist oft nicht einfach und sehr zeitintensiv. Besteht der Verdacht auf eine derartige Erkrankung, zielt die Therapie auf die Gabe von einem Gegengift (bislang konnte gegen 7 von 8 Unterformen des Giftes ein Gegengift entwickelt werden) und auf eine Therapie der Ausfallserscheinungen, was in der Regel eine Behandlung auf einer Intensivstation mit sich bringt. Fieber liegt oft nicht vor und es besteht auch keine Ansteckungsgefahr. Nach der überstandenen akuten Vergiftung kann die vollständige Genesung des Betroffenen mehrere Monate dauern.

Vorbeugende Maßnahmen

Aufgrund der begrenzten Therapiemöglichkeiten sind vorbeugende Maßnahmen besonders wichtig.
Hier ein paar Beispiele:

● Fleisch- und Wurstkonservenausreichend abkochen.
● Aufgeblähte Konserven in keinem Fall verzehren.
● Im Haushalt Fleisch und Wurst gekühlt (5°C) lagern.
● Lebensmittel ausreichend lange erhitzen.
● Auftauen von Fleisch und Wurst über einen langen Zeitraum vermeiden.
● Allgemeinen Hygieneregeln beachten.

Botulinumtoxin in der Medizin

Die Wirkung von Botulinumtoxin kann aber auch therapeutisch als Medizin bei unwillkürlichen Muskelbewegungen, Erkrankungen mit krankhaft erhöhter Muskelspannung (Spastik), aber auch zur Therapie von übermäßiger Schweißproduktion und in der kosmetischen Medizin eingesetzt werden.

 

Ihre Experten für neurologische Erkrankungen:

Prof. Dr. med. B. Griewing
CMO und Generalbevollmächtiger der RHÖN-KLINIKUM AG

 

 

 

 

 

 

Dr. med. Christian Palm
Leitender Oberarzt Intensivmedizin Neurologische Klinik Bad Neustadt